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Rheinische Post: Kommentar: Die SPD, die SPD, die hat immer recht

Geschrieben am 15-11-2009

Düsseldorf (ots) - Es gehört zu den großen journalistischen
Gemeinheiten, die gleichzeitig Verdienst sind, was sich ein
Fernsehsender in seiner Berichterstattung über die Wahl des neuen
SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel leistete: Die Fernsehmacher schnitten
Bilder der letzten vier Vorsitzenden-Wahlen kommentarlos
hintereinander: Rede, Jubel des Parteitags, Wahl, Jubel. Platzeck,
Beck, Müntefering, jetzt Gabriel die immer gleiche Szene.
Das ist gemein, weil es der Sozialdemokratie mangelnde Lernfähigkeit
unterstellt. Das ist verdienstvoll, da die Lernfähigkeit der
Sozialdemokratie tatsächlich begrenzt scheint. Die Kraft der
Autosuggestion hat jedenfalls in Dresden wieder alles andere
untergepflügt. Gabriels Rede richtete sich nach innen, an die, die
die SPD die Basis nennt, die in Wahrheit aber die Funktionärsschicht
sind. Sie gewann Gabriel für sich. Nur um danach bei der mit nicht
einmal 70 Prozent der Delegiertenstimmen gewählten Generalsekretärin
Andrea Nahles miterleben zu müssen, wie grabenkämpferisch das
Mittelmanagement der Partei unterwegs ist.
Der Ton, die Denkmuster der allermeisten Funktions- und Mandatsträger
sind Beleg für zweierlei. Erstens: Die SPD hat sich immens weit von
der breiten Bevölkerung entfernt. Sie ist vor allem Klientelpartei
einer Angestellten- und Beamtenkultur des öffentlichen Dienstes und
verwandter Strukturen. Die sie tragenden Kader sind in den siebziger
oder frühen achtziger Jahren sozialisiert worden. Es sind
Bildungsaufsteiger, die ihre Geschichte immer noch als Muster auf die
globalisierte Gesellschaft legen. Zweitens: Die Formen parteiinterner
Auseinandersetzung orientieren sich deshalb an den in der
Hochschulpolitik der Siebziger gewonnenen Erfahrungen. Intrigen per
Positionspapier, Demütigung per schlechtem Listenplatz, Abstrafung
per organisierter Wahlschlappe wie im Fall Nahles.
Das ist fatal, weil die führende SPD-Schicht die eigene Rolle
heroisiert und zum Standard erklärt, dabei aber nur das Image der
Partei beim Bürger ruiniert hat. Gleichzeitig romantisiert die
akademisierte Parteielite die Probleme der Zeit. Realitätsnähe erlebt
man am ehesten bei SPD-Bürgermeistern und -Landräten, nur in
Ausnahmefällen bei auf der Medienwelle nach oben getragenen
Spitzenpolitikern wie Peer Steinbrück. Nicht umsonst flüchteten sich
Parteiführer, die regieren mussten - also Schmidt, Clement, später
Schröder / Müntefering -, ins Autokratische und suchten sich ihre
Verbündeten überall, aber zuletzt in der Partei.
Die Käseglocke, unter der die SPD lebt, hat die einstige Programm-
und Ideenpartei intellektuell dramatisch ins Hintertreffen geraten
lassen: Familienpolitik, Integration, Kontakt zur modernen
Arbeitnehmerschaft sind Politikfelder, die aktuell mit der
orangefarbenen Merkel-CDU und nicht mit der klassischen Sozialpartei
SPD verbunden werden.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


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