(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Manchmal ist sogar die Kanzlerin machtlos - Kommentar

Geschrieben am 02-11-2009

Berlin (ots) - Vor genau einem Jahr wussten wir alle: Der
Subprime-Kredit löste die gigantische globale Finanzkrise aus.
Millionen Amerikaner gaben Geld aus, das sie nicht hatten. Banken
verpackten und versteckten die Risiken kunstvoll, gern übrigens bei
deutschen Landesbanken. Es ist Wolfgang Schäuble zu danken, dass er
schon in den Koalitionsverhandlungen jeden Verpack- und
Versteckversuch für neue Schulden unterband. Die aktuelle
Steuerschätzung bestätigt den Finanzminister. Und der fragt zu Recht:
Wie kann der hoch verschuldete Staat angesichts sinkender Einnahmen
Geld ausgeben und zudem noch auf Steuern verzichten? Die von Angela
Merkel bisweilen zitierte schwäbische Hausfrau kennt ein gutes Rezept
dagegen: Geld zusammenhalten.
Wer den Werbetext für eine revolutionäre neue Schlankheitswunderpille
liest, der weiß ja auch: Man kann die teuren Pillen ausprobieren -
aber die Enttäuschung, man hat es geahnt, ist eingebaut.
Steuersenkungsversprechen im Wahlkampf sind ähnlich seriös wie
Diät-Reklame: Sie wiederholen sich regelmäßig alle vier Jahre,
stimmen aber selten. Dennoch wird gern daran geglaubt, auch wider
besseres Wissen. Wer aber die vielfach verflochtenen Machtebenen
dieses Landes kennt, die auch von Föderalismuskommissionen nicht zu
entwirren sind, der weiß: Weder Kanzlerin noch FDP-Chef, nicht mal
ein bayerischer Ministerpräsident können weitreichende
Steuererleichterungen versprechen. Warum nicht? Weil sie diese
Versprechen nicht halten können. Die drei haben im Wahlkampf etwas
zugesagt, was außerhalb ihres Geltungsbereichs liegt. In Steuerdingen
sind die Berliner Würdenträger nämlich de facto ziemlich machtlos.
Durchaus absichtsvoll sieht das Grundgesetz vor, dass den Ländern bei
den Finanzen ein Mitspracherecht zusteht. Außerdem sind noch Kommunen
im Spiel, denen ihre Haushalte schon jetzt um die Ohren fliegen. Weil
nahezu jede Steuererleichterung auch auf Kosten von Bundesländern und
Städten geht, setzen Ministerpräsidenten und Bürgermeister nun alles
daran, ein Solo der neuen Bundesregierung zu verhindern. Der
Bundesrat braucht nicht unbedingt eine SPD-Mehrheit, um eine
CDU-Kanzlerin zu bremsen. Am Ende hat auch der Bürger ohnehin wenig
davon, wenn er 20 Euro Steuern weniger zahlt, aber 30 Euro mehr
Gebühren.
Steuerschätzern ist zwar nicht unbedingt mehr zu glauben als
Wirtschaftsprognostikern, aber fest steht: Niedrigere Steuern
bedeuten noch weniger Einnahmen, noch höhere Schulden und noch
weniger Spielraum wegen eines gigantischen Schuldendienstes. Ein zum
Sparen neigendes Volk wird diese doppelte Belastung des Haushalts
durch ein Konsumfeuerwerk kaum einspielen.
1982, beim Start der letzten schwarz-gelben Regierung, lautete das
Motto: Arbeitsplätze haben Vorrang. Denn wer sein eigenes Geld
verdient, braucht keine Sozialtransfers und schont den Haushalt. So
wird das Land wirklich entlastet.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

234343

weitere Artikel:
  • WAZ: Bildungsverweigerer - Kultur des Aufstiegs. Kommentar von Frank Stenglein Essen (ots) - Menschen, die durchhingen, die keinen Anschluss fanden an den produktiven Teil der Gesellschaft, hat es zu allen Zeiten gegeben. In Maßen kann und muss der Sozialstaat hier helfen. Einst gegründet, um die Unwägbarkeiten des Lebens abzusichern, hat er sich zur Lebensgrundlage entwickelt für eine relativ üppige Unterschicht. Das Wort ist unschön, es beschreibt aber treffend Menschen, die sich auch selbst so empfinden: als abgehängt, als "unten". Viel wichtiger als Semantik ist aber etwas anderes: Wenn nicht alles täuscht, mehr...

  • Weser-Kurier: Zu Afghanistan Bremen (ots) - So wird auch für den Westen die Legitimation für den Einsatz immer schwieriger. Viele Bundeswehr-Soldaten sind nach Afghanistan mit der Überzeugung gegangen, dort für eine gute Sache zu kämpfen. Westliche Politiker und Generäle waren bewegt von der Idee, ein friedliches und demokratisches Afghanistan könnte zum Leuchtturm werden - ein Vorbild für die gesamte Region. Die Realität ist ernüchternd: Die Isaf-Truppen reiben sich in einem Guerillakrieg auf, während eine korrupte Regierung es zulässt, dass Stammesfürsten, Warlords mehr...

  • WAZ: Meisners NS-Vergleich - Das Schwert Gottes. Kommentar von Christopher Onkelbach Essen (ots) - Dawkins' Buch "Der Gotteswahn" beginnt so: "Stellen wir uns doch mal eine Welt vor, in der es keine Religion gibt - keine Selbstmordattentäter, keinen 11. September, keine Kreuzzüge, keine Hexenverbrennung, keine Verfolgung der Juden." Und so weiter. Das ist suggestiv und erwartet nur eine Antwort: Diese Welt wäre eine bessere. Selbstverständlich ist das eine Provokation, und es ist auch so gemeint. Doch ist die Auseinandersetzung mit Dawkins' spitzzüngigen Thesen ein intellektuelles Vergnügen - nicht nur für Atheisten. Das mehr...

  • WAZ: Karsai Wahlsieger in Afghanistan - Überlebenskampf. Kommentar von Willi Germund Essen (ots) - Das Theater um die Präsidentschaftswahl in Afghanistan hat endlich ein Ende. Es wäre unverantwortlich gewesen, den Urnengang angesichts der prekären Sicherheitslage mit nur einem Kandidaten durchzuziehen, nur um der Form Genüge zu tun. Zurück bleibt eine ganze Riege von Blamierten. Präsident Hamid Karsai betrog mit seinen Leuten beim ersten Wahlgang im August, dass sich die Balken bogen. Diesen Ruf wird der Regierungschef, dessen Ministerriege während der vergangenen fünf Jahre überwiegend Korruption und Misswirtschaft mehr...

  • RNZ: Lösung mit Makeln - Kommentar zur Wiederwahl Karsais Heidelberg (ots) - Natürlich wäre es durch nichts zu rechtfertigen gewesen, eine Stichwahl mit nur einem Kandidaten in Afghanistan durchzuführen. Weitere Todesopfer bei Anschlägen der Taliban und immense Kosten, für ein Ergebnis, das bereits vorher festgestanden hätte, wären nicht nur in Afghanistan sondern auch im Westen auf Unverständnis gestoßen. Doch auch die Lösung, Karsai einfach zum Sieger zu erklären, ist mit etlichen Makeln behaftet. Der afghanische Präsident bleibt nun aufgrund eines Wahlgangs im Amt, bei dem er nachweislich mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht