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Berliner Morgenpost: Ein absurder Kassenstreit - Leitartikel

Geschrieben am 01-11-2009

Berlin (ots) - Mitte Juni sagte der Präsident des Bundesverbandes
der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel: "Ich wehre mich gegen
eine rein statische Betrachtungsweise, dass wir erst Schulden
abtragen und erst dann entlasten können." Die schwarz-gelbe Koalition
folgte seiner Auffassung aus eigenem Antrieb. Sie beschloss, 24
Milliarden Euro Entlastung für die Steuerzahler in der
Koalitionsvereinbarung festzuschreiben. Eine Woche nach deren
Verabschiedung auf Parteitagen der drei Koalitionsparteien sagte
Keitel gestern, die Priorität des BDI laute nun jedoch: "Haushalte
konsolidieren. Das ist wichtiger als umfassende Steuersenkungen."
Binnen vier Monaten hat der BDI seine Haltung zum zentralen
Wahlkampfversprechen Angela Merkels ins Gegenteil verkehrt, ohne dass
sich die Gesamtlage grundsätzlich gewandelt hätte. Ein Verbandschef
steht zwar unter dem Druck von Mitgliedern, die vielleicht nicht alle
die frühere Position gutgeheißen haben. Trotzdem ist ein solcher
Zickzackkurs kaum geeignet, die Resonanz und den Einfluss der
Arbeitgeber im Kanzleramt zu steigern.
Merkel hatte Steuersenkungen versprochen - es war auch im Wahlkampf
schon ersichtlich, dass diese nicht kurzfristig gegenfinanziert
werden können. Richtig war es trotzdem, denn die Rezessionsabwehr
muss schnell erfolgen, während Strukturreformen im Sozialsektor oder
im Mietrecht ihre Zeit benötigen. Solche Reformen hatte Hans-Peter
Keitel ebenfalls angemahnt. Die Vorschläge gehen in die richtige
Richtung - gemessen aber wird in einer Krise zu Recht mit zweierlei
Zeitmaß.
Eine vergleichbar sprunghafte Haltung nehmen manche Länderchefs ein,
auch solche, die mit in der Koalitionsrunde saßen. Verfassungsklage
gegen Steuersenkungen will da sogar einer von ihnen einreichen. Von
den protestierenden CDU-Ministerpräsidenten wäre es nun interessant
zu hören, ob das CDU-Statut nun gilt oder nicht. Dem Statut gemäß
entscheidet ein kleiner Parteitag über den Koalitionsvertrag. Ein
solcher Parteitag hat den Vertrag einstimmig gebilligt. Lesen die
Ministerpräsidenten Zeitung? Sehen sie fern?
Wenn die Länderchefs glauben, Koalitionsverträge und Bundesgremien
ihrer eigenen Partei seien nur lästiges protokollarisches Beiwerk auf
dem Weg zum politischen Barrikadenkampf, dann verlieren sie
Vertrauen, sie verlieren Respekt, sie schaden der Kanzlerin. Die
Bundesregierung wird ihnen als Antwort womöglich einmal die Pistole
bei Themen auf die Brust setzen, die den Ländern mehr nutzen als dem
Bund. Steuersenkungen waren seit Monaten, ja seit Jahren ein
Zentralthema Angela Merkels. Die Verschuldungshöhe war bekannt,
ebenso der Stellenwert ausgabenwirksamer neuer Familienleistungen im
Denken der CDU. Zu behaupten, "Steuersenkungen auf Pump" seien eine
Überraschung, ist für gestandene Ministerpräsidenten und
Verbandschefs so absurd wie die Empörung von Kunden über den
angeblich völlig überraschenden Zahlungsvorgang an der Ladenkasse.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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