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Berliner Morgenpost: Es gibt keine Bürger erster und zweiter Klasse - Leitartikel

Geschrieben am 18-10-2009

Berlin (ots) - Es ist ein verheerendes Signal - und ein
entlarvendes: Die Bundesregierung, Ministerialbeamte und Mitarbeiter
von oberen Bundesbehörden bekommen eine Vorzugsbehandlung. Nicht
jener Impfstoff wird ihnen injiziert, mit dem sich der normale Bürger
vor der Schweinegrippe schützen soll. Nein, sie bekommen stattdessen
eine verträglichere Variante des Wirkstoffs. Das böse Wort von der
Zwei-Klassen-Medizin drängt sich auf. Und George Orwells Roman "Farm
der Tiere", in dem alle gleich sind, "aber manche gleicher".
Verheerend ist die Bestellung der 200000 Extra-Dosen des
verträglicheren Impfstoffs für die Impffreude der Deutschen. Schon
zuvor hatte nur etwa ein Viertel der Deutschen vor, sich impfen zu
lassen. Jetzt lautet die Botschaft: So unbedenklich ist der "normale"
Impfstoff nicht, deshalb sollen wichtige Entscheidungsträger einen
harmloseren bekommen. Kein ermutigendes Signal für den in seiner
Entscheidung schwankenden Bürger.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, sagen Pharmakologen. Doch beides
muss in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Bei
bedrohlichen Krankheiten sind Mediziner und ihre Patienten geneigt,
ein größeres Komplikationsrisiko einzugehen, um einen schweren
Gesundheitsschaden abzuwenden. Doch die Schweinegrippe ist unter dem
Strich weit harmloser als etwa die saisonale Grippe. An der Ersten
starben weltweit bislang rund 3000 Menschen; sehr viele von ihnen in
Ländern mit weit schlechterer Gesundheitsversorgung als Deutschland.
Der saisonalen Grippe erliegen jedoch jedes Jahr allein in
Deutschland 5000 bis 20000 Menschen. Die Schweinegrippe
verläuft fast immer mild - dass sich ihre Bedrohlichkeit in den
kommenden Monaten ändert, ist wenig wahrscheinlich. Das zeigt die
Erfahrung in Australien, wo es während des zu Ende gehenden
Südwinters zu keiner gefährlichen wechselseitigen Vermischung von
saisonaler und Schweinegrippe kam. Aber zugegeben: Es besteht ein
Restrisiko. Dann würde auch eine Impfung mit Nebenwirkungen in neuem
Licht erscheinen.
Vielleicht hatten Regierung und Gesundheitsbehörden keine andere
Wahl, als die Impfstoffentwicklung so schnell wie möglich zu
forcieren. Würde das Restrisiko tragische Realität und kein Impfstoff
wäre da - man würde die Verantwortlichen selbstverständlich der
Verantwortungslosigkeit zeihen.
Aber fragen muss man dennoch, ob es angesichts des in Europa fast
immer milden Krankheitsverlaufs nicht sinnvoll gewesen wäre, nicht
den ersten lieferbaren, sondern den besseren Impfstoff zu bestellen.
Die Verträge über 50 Millionen Dosen des Booster-Impfstoffs wurden
übereilt geschlossen, jetzt muss die Bundesregierung diese auch
abnehmen. Neben den 200000 Dosen der verträglicheren Variante
für Beamte nun noch weitere 50 Millionen für jedermann
nachzubestellen, ist illusorisch. Dass sie sich bei den
Exklusivverträgen mit zwei Herstellern hat über den Tisch ziehen
lassen, das bestätigt die Bundesregierung jetzt indirekt mit ihrer
entlarvenden Vorzugsbehandlung.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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