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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema "China und die Buchmesse"

Geschrieben am 12-10-2009

Bielefeld (ots) - Die Frankfurter Buchmesse bringt es an den Tag:
China hat's schwer. Nur eine einzige Regierung für 9,6 Millionen
Quadratkilometer (Deutschland leistet sich deren 17 für nur 1/27 der
Fläche), 56 ethnische Gruppen in 27 Provinzen, Küsten- und
Wüstenvölker, Bauern, Fischer und Fabrikarbeiter, mindestens 1,6
Millionen Strafgefangene - kein Wunder, dass ihrer aller Interessen
kaum unter einen Hut zu bringen sind.
Es macht die Sache nicht einfacher, dass die 1,3 Milliarden Chinesen
nur eines wollen: Freiheit. 1,3 Milliarden Freie sind schwerer zu
hüten als ein Sack Flöhe. Sagt Peking. Die Interessen der
chinesischen Delegation bei der Buchmesse sind denn auch recht
übersichtlich: 2000 Abgesandte, die feiern wollen. Aber bitte nur mit
Gleichgesinnten.
Den Leuten kann geholfen werden. Sie sind schließlich Gast in
Frankfurt, und der Gast wird in Watte gepackt. Den Chinesen zuliebe
laufen zwei Veranstaltungsreihen nebeneinander her - hier der
Propaganda-Talk der Parteisoldaten, dort die Gespräche der
unabhängigen Menschenrechtler. Begegnungen sind unnötig, weil
unangenehm.
Dissidenten wurden ausgeladen - von den Deutschen. Dennoch nickte der
Messechef Jürgen Boos andächtig, als Mei Zhaorong, einst Botschafter
in Berlin, Deutschland eine Diktatur schimpfte. Michael
Kahn-Ackermann, der das Goethe-Institut in Peking leitet, bat um
Verständnis für Chinas Aggressionen, denn ohne Nationalismus flögen
Peking die 27 Provinzen um die Ohren.
Und als der Systemkritiker Ai Weiwei krankheitsbedingt absagte, fand
der Messesprecher Thomas Minkus dies schade - »aber Gesundheit geht
vor.« Das hört sich artig an, wenn man aber weiß, dass Ai nicht
kommen kann, weil er von chinesischen Polizisten krankenhausreif
geprügelt wurde, verkehren sich Minkus' Trostworte in ihr Gegenteil:
in Hohn.
Die Buchmesse steht im Zwielicht, aber aufmerksame Beobachter haben
das Unglück kommen sehen. 2003, als Putins Reich als Gastland
auftrat, wurde die Rückkehr zur Willkür der alten Zaren gleichmütig
akzeptiert. Und die Türkei (Gastland 2008) auf ein Mindestmaß an
Respekt gegenüber Andersdenkenden verpflichten? Undenkbar.
Woher rührt die Feigheit? Wer nicht Churchills böses Wort wiederholen
will, demzufolge man die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu
seinen Füßen habe, wird den Kniefall vor Peking als Folge kultureller
Dekadenz erklären: Die Buchmesse ist längst nicht mehr Deutschlands
literarisches Größtereignis, sondern ein Treffen der Krämer. Sie
sehen aus den Büchern eher Geld denn humane Ideen sprudeln.
Deutsch-chinesischer Dialog, Teil 1. Der Intellektuelle: »Chinas Weg
in die Demokratie ist weit, man muss sich ein wenig gedulden.« Der
Dissident Ai Weiwei: »Warum muss ich mich gedulden? Ich habe nur ein
Leben!«
Deutsch-chinesischer Dialog, Teil 2. Die Intellektuelle: »Endlich
stellen Sie dem Regime kritische Fragen!« Die Dissidentin Dai Qing:
»Ja, aber keine wird beantwortet.«

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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