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Westdeutsche Zeitung: Bürgergeld = von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 06-10-2009

Düsseldorf (ots) - Der Bierdeckel von Friedrich Merz feiert
fröhliche Urständ. Diesmal nicht als Synonym für die
Supervereinfachung der Einkommensteuer, sondern in Form des liberalen
Bürgergeldes. Mit einem Handstreich will die FDP die Sozialbürokratie
überflüssig machen. Alle steuerfinanzierten Leistungen - angeblich
138 Arten, die von 45 staatlichen Stellen verwaltet werden - wollen
die Liberalen bündeln und nur noch vom Finanzamt auszahlen lassen.
Diese bestechende Einfachheit ist genau der Grund, warum Angela
Merkel auch diesen Punkt bei den Koalitionsverhandlungen ausbremsen
wird. Die Kanzlerin wird nicht das unkalkulierbare Risiko eingehen,
die Sozialsysteme nach den Hartz-Reformen noch einmal einer
grundlegenden Reform zu unterziehen.
Tatsächlich birgt die verlockend klingende Vokabel vom Bürgergeld,
das allen Menschen ohne ausreichendes Einkommen zusteht, eine Reihe
von Pferdefüßen. Zwei davon haben Gewicht: Die vorgesehenen
Pauschalen ignorieren die völlig unterschiedlichen
Lebenshaltungskosten: Im entvölkerten Osten Deutschlands wäre sie
wohl das eineinhalbfache wert als in München oder Düsseldorf. So
lässt sich das bisherige Wohngeld sicher nicht ersetzen. Der zweite
Haken ist die nicht kalkulierbare Folgewirkung auf dem
Niedriglohnsektor. Das Bürgergeld soll den Anreiz erhöhen, auch
schlecht bezahlte Arbeiten anzunehmen. Im Umkehrschluss kann es die
Arbeitgeber aber auch dazu verleiten, unqualifizierte Arbeit nur noch
für vier Euro statt für sechs Euro anzubieten.
CDU und CSU könnten den Anstoß der Liberalen aber für etwas ganz
anderes nutzen. Sie werden bei Hartz IV mit Sicherheit das
Schonvermögen erhöhen, damit nicht länger diejenigen bestraft werden,
die für ihren Lebensabend vorgesorgt haben. Die Fraktion Rüttgers
wird zudem versuchen, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes II für
diejenigen erneut zu erhöhen, die über Jahrzehnte Beiträge in die
Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Wenn die schwarz-gelbe
Koalition dann noch einen Ersatzbegriff für das unsägliche "Hartz
IV"findet, könnten sich die Partner als Erneuerer des
Gerechtigkeitsgedankens feiern lassen, während die Schmach des
herzlosen Sozialabbaus auf ewig mit der SPD verbunden wäre.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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