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Berliner Morgenpost: Otto Normalwähler und die Sommermärchen - Leitartikel

Geschrieben am 16-08-2009

Berlin (ots) - So. Nun sind die politischen Sommerferien
einigermaßen vorbei, und Otto Normalwähler reibt sich verwundert die
Augen angesichts dessen, was da gerade über ihn hinwegrollt.
Vollbeschäftigung, Steuersenkungen flächendeckend, Bildungsoffensive,
Steinmeier kann Kanzler werden, Schweinegrippeschutz für alle gratis!
Ohne Rücksicht auf Verluste wird geschwindelt, bis die Nase juckt,
kein Wahlkampfschlager ist zu verstaubt, als dass er nicht noch
einmal aufgelegt werden könnte. Hurra, Deutschland, wir haben die
Haare schön. Und wenn's drauf ankommt, versaufen wir auch noch unser
Oma ihr kleines Häuschen. Man fasst es gar nicht so richtig.
War nicht eben noch Krise? Schrumpft unsere Wirtschaft nicht gerade
um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr, eine gigantische rote Zahl,
die es noch nie gegeben hat seit anno Tobak? Wie hoch genau war noch
unser Schuldenberg? Um wie viel Milliarden wächst er absehbar in der
kommenden Legislaturperiode? Wie lange werden wir buckeln müssen, um
das wieder reinzuholen, was wir gerade in die Krisenbekämpfung
stopfen? Wie viele Arbeitsplätze werden verloren gehen in diesem und
im kommenden Jahr? Wie lange können wir es uns noch erlauben, die
Statistik schönzufärben mit Kurzarbeitergeld? Wie hoch werden die
Abgaben steigen in den kommenden vier Jahren? Was passiert dann mit
den Renten? Wer zahlt dann wessen Krankenversicherungsbeiträge? Was
passiert eigentlich, wenn eine der maladen Landesbanken in die Knie
geht, Bürgschaften fällig werden in schwindelerregenden Höhen?
Probleme, über deren Lösung man ja mal ein paar Sätze verlieren
könnte im Wahlkampf.
Was diese Republik statt der gerade anhebenden üblichen
Wadenbeißerei, statt sommerlicher Märchenstunden bräuchte in den
kommenden sechs Wochen, ist eine ehrliche Debatte um die besseren
Konzepte, aber nicht für Vollbeschäftigung an St. Nimmerlein oder
fiskalischen Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Sondern um die Frage,
was wirklich geht in den kommenden vier Jahren. Und was nicht.
Man kann dann auch über Steuersenkungen reden, aber nur wenn man
gleichzeitig wieder über das Streichen jener Steuerprivilegien
spricht, die dann zwingend fallen müssen. Oder um Dinge, die wir
künftig eben nicht mehr erwarten dürfen von Vater Staat. Man muss ja
nicht Adam Riese oder Peer Steinbrück heißen, um zu sehen, dass
zusätzliche Staatsausgaben nicht finanzierbar sein werden, wenn man
einigermaßen erhobenen Hauptes vor seine Kinder treten will. Oder
wenn man ernst machen will mit weiteren Investitionen in die Bildung.
Wo soll das Geld denn herkommen bei einbrechenden Staatseinnahmen
aller Art?
Darüber, über das, was an Belastungen zukommen wird auf uns
Bundesbürger, über das, was wir anpacken müssen, um wieder auf einen
grünen Zweig zu kommen, darüber redet kaum einer in den ungezählten
Interviews, Reden und Artikeln, mit denen wir derzeit überhäuft
werden. Darüber steht erst auch nichts im schwelgerischen
Deutschland-Plan des Kandidaten. Und die Kanzlerin spart schon mal,
vorsichtshalber, am Konkreten. Sie weiß, warum.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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