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Berliner Morgenpost: Eine Entscheidung, die die Wähler stärkt

Geschrieben am 30-06-2009

Berlin (ots) - Das Schöne am Bundesverfassungsgericht ist, dass es
bei aller der juristischen Präzision geschuldeten Umständlichkeit
seiner Urteile im Prinzip einer Linie treu bleibt, die den Kollegen
Politikern immer wieder mal abhanden kommt. Es entscheidet im Sinne
des Volkes, nicht nur im Namen des Volkes. Ob es ums
Nichtraucherschutzgesetz geht oder um die Meinungsfreiheit, ums
Tragen von Kopftüchern oder den Großen Lauschangriff - die Karlsruher
Richter stärken immer wieder die Freiheit des Einzelnen, schützen
Grundgesetz und Bürger vor leichtfertigen Eingriffen der Politik. Das
kommt meist etwas unverständlich daher, und bei der Urteilsbegründung
können nur wenige folgen, aber im Kern sind die Urteile, ist die
Summe dieser Urteile so etwas wie in juristische Formeln verpackter
gesunder Menschenverstand. Das gilt auch für das Urteil zum Vertrag
von Lissabon.
Dessen generelle Zielsetzung ist ja richtig. Europa, die Staaten der
Europäischen Union näher zusammenrücken zu lassen, dabei die
hochkomplexen Entscheidungsstrukturen zu verschlanken und dem
Brüsseler Apparat wenigstens erste Konturen eines persönlichen
Gesichts zu geben, das alles ist überfällig und in seiner Langsamkeit
für ungeduldigere Gemüter kaum zu ertragen. Also haben die Karlsruher
Richter diesen mühsamen Vertragsprozess auch nicht grundsätzlich
infrage gestellt, wie dieser oder jener Kläger insgeheim gehofft
haben mag. Sondern sie haben "Ja zu Lissabon" gesagt und gleichzeitig
versucht, die Interessen der Bundesbürger im Gestrüpp der neuen
Paragrafenwerke einigermaßen hochzuhalten.
Denn das ist ja auch klar: Europa als Ganzes schneller, schlanker,
entscheidungsfähiger zu machen, ist nur möglich, wenn die Interessen
seiner nationalen Einzelteile weniger stark gewichtet werden, wenn
nationale Parlamente und Regierungen also Einfluss, Veto- und
Gestaltungsrechte abgeben. Womit dann zwangsläufig auch der nationale
Wähler an Einfluss verliert. Genau dieser Zwangsläufigkeit hat
Karlsruhe einen kräftigen Riegel vorgeschoben. Unter anderem, weil
die EU noch immer nicht in einer Weise demokratisch strukturiert ist
wie die Bundesrepublik, sondern eher so halb, und zur anderen Hälfte
ziemlich bürokratisch und willkürlich. Anders ausgedrückt: Solange
das EU-Parlament auf europäischer Ebene nicht die gleichen Rechte hat
wie der Bundestag auf nationaler, müssen unsere Volksvertreter, also
im Prinzip: wir Wähler, zustimmen, bevor die EU Regeln erlässt, an
die wir uns halten sollen. Eigentlich selbstverständlich, aber
offenbar von unseren Parlamentariern bisher nicht ausreichend
beherzigt. Deshalb müssen sie jetzt nachsitzen in den Sommerferien
und ein neues Begleitgesetz erarbeiten - auch das eine Folge der
Karlsruher Entscheidung, die einem nicht unbedingt ungerecht
vorkommt.
Fehlt noch ein Kommentar zum zweiten Teil des gestrigen Urteils, in
dem das Gericht auch die eigene Rolle und Bedeutung für den
europäischen Einigungsprozess gestärkt hat. Der fällt kurz aus: Das
finden wir gut.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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