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WAZ: Der Machtkampf im Iran - Eine Diktatur wankt - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 22-06-2009

Essen (ots) - Neda. Eine 27-jährige Philosophie-Studentin liegt
auf dem Asphalt, und, getroffen von einem Regime-Scharfschützen,
stirbt sie, dokumentiert im Internet, vor den Augen der Welt. War das
der magische Moment, in dem das Schicksal sich wendet, weil
Geschichte für einen tragischen Moment still steht, um dann eine
andere Richtung zu nehmen? Zwingend ist das nicht. Aber es könnte
sein; immerhin, vor 30 Jahren, als der Schah stürzte, war es so. Wie
also enden Diktaturen?

Erstens: Sie ersticken an ihrer übersteigerten
Selbsteinschätzung. Theokratien sind für die Hybris der Macht
besonders anfällig: Sie reden sich solange ein, im Namen des
Unwiderlegbarsten, Gott also, zu handeln, bis sie dieser Illusion
erliegen.

Zweitens: Sie implodieren an ihren Machtkämpfen. Niemand, weder
im Iran noch im Westen, weiß, wie mächtig der mächtigste Mann ist:
Religionsführer Chamenei. Es ist aber deutlich geworden, dass er
Widersacher hat im Klerus, einige seiner Weggefährten sympathisieren
offen mit der Opposition. Chamenei hat sein Schicksal mit dem
Ahmadinedschads verbunden - ein Zeichen der Schwäche. Der Präsident
hat die Wahl gefälscht, der Wächterrat hat dies öffentlich quasi
zugegeben. Einheitliche Führung sieht anders aus.

Drittens: Sie verlieren ihr Volk. Auf dem Land mögen sich die
Perser an den Islamisten festhalten, in den Städten machen die Jungen
die Stimmung; und immer stärker die Frauen. Sie haben das allergrößte
Motiv: persönliche Freiheit. Erst schickt man sie auf die
Universitäten, anschließend müssen sie zurück in die männerdominierte
Steinzeit. Davon haben sie die Nase voll. Darüber hinaus ist die
Arbeitslosigkeit bedrückend hoch, die Aufstiegsperspektive niedrig.
Diesen Grund für Widerstand hat die Regierung selbst zu verantworten.

Viertens: Sie büßen ihr Sprachmonopol ein. Die Regierung hat es
nicht mehr auf der Straße, schon gar nicht im Internet. Vielleicht
heißt es eines Tages: Das war die erste Diktatur, die
hinweg-gezwitschert (getwittert) wurde.

Fünftens: Sie verlieren den Kampf der Köpfe. Chamenei ist kein
geachteter Führer mehr, sondern ein verachteter Unterdrücker. Mussawi
ist keine Lichtgestalt; aber Gorbatschow wurde auch nicht als "Gorbi"
geboren, der dem Rad der Geschichte in die Speichen griff. Wie immer
es ausgehen mag - eins steht jetzt schon fest: Die Welt denkt anders
über die Menschen im Iran.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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