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Westdeutsche Zeitung: Wahlpflicht = von Alexander Marinos

Geschrieben am 09-06-2009

Düsseldorf (ots) - Man kann die SPD ja verstehen. Die Union büßt
fast sieben Prozentpunkte bei der Europawahl ein, die SPD nur 0,7.
Trotzdem sind es die Sozialdemokraten, die als die großen Verlierer
gelten. Sie haben die Erwartung enttäuscht, sich aus dem
20-Prozent-Loch zu befreien, während die Verluste für CDU und CSU
schon eingepreist waren. Aus SPD-Sicht ist das ein bisschen
ungerecht, zumal die niedrige Wahlbeteiligung dem bürgerlichen Lager
eher geholfen hat. Trotzdem sollte die Parteiführung jenen
enttäuschten Hinterbänkler schnell wieder einfangen, der Nichtwähler
wie Parksünder behandeln und ihnen ein saftiges Knöllchen verpassen
möchte. Eine Wahlpflicht einzuführen, würde der Demokratie nicht
nutzen, sondern schaden.
"Donkey vote" (Eselsstimme) nennt man im englischsprachigen Raum das
Phänomen, wenn politisch uninteressierte Wähler dazu gezwungen
werden, ihre Stimme nach dem Zufallsprinzip abzugeben. Man mag sich
gar nicht vorstellen, wo auf dem rund ein Meter langen Wahlzettel am
Sonntag überall die Kreuzchen gelandet wären. Wichtiger aber ist das
Argument, dass eine Wahlpflicht einen Eingriff in Freiheitsrechte
darstellt. Schließlich kann die Nichtwahl auch eine bewusste
politische Entscheidung sein, eine Unmutsäußerung, die weniger
drastisch ausfällt als die Wahl radikaler Parteien. Daneben kann die
Nichtwahl auch Ausdruck eines ungerichteten politischen Desinteresses
sein. Muss dem Bürger nicht auch diese Freiheit zugestanden werden:
die Freiheit, unpolitisch zu sein?
Eine geringe Wahlbeteiligung verringert immer auch die demokratische
Legitimation des jeweiligen Parlaments. Das ist wahr. Aber
Gleichgültigkeit, aus der Nicht-Teilnahme resultiert, muss noch lange
nicht systemgefährdend sein. Bei großer Unzufriedenheit mit dem
System würde die Wahlbeteiligung eher steigen; die Protestparteien an
den Rändern würden davon profitieren, so wie 1994, als die deutsche
Beteiligung an den Europawahlen bei 60 Prozent lag und die
rechtsradikalen Republikaner fast vier Prozent der Stimmen erhielten.
Der SPD bleibt nichts anderes übrig, als alle Energie darauf zu
verwenden, ihre Wählerklientel zu mobilisieren. Dann wird sie bei der
Bundestagswahl auch ein besseres Ergebnis erzielen - ganz ohne
jemanden zu zwingen.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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