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Südwest Presse: Kommentar zum Thema Staatshilfe

Geschrieben am 09-06-2009

Ulm (ots) - Für die Beschäftigten wird es ein Schock sein, dass
Arcandor nun Insolvenz anmelden will. Bis zuletzt hatten sie gehofft,
dass sich der Staat als Helfer betätigt, sei es durch eine Bürgschaft
oder einen Notkredit. Beides wurde dem Handelskonzern versagt - und
das ist auch gut so. Auch wenn es für die Betroffenen bitter ist: Es
ist nicht Aufgabe des Staates, Unternehmen wettbewerbswidrig zu
stützen, die durch Missmanagement in die Pleite getrieben wurden. Mit
der Finanzkrise hat der Fall Arcandor nichts zu tun, das hat auch die
Regierung eingesehen und ihre Hilfe verweigert. Diesen Kurs sollte
sie beibehalten.
Denn der Begriff Staatshilfe hat höchstes Potenzial, zum Unwort des
Jahres zu werden. Opel, Porsche, Schaeffler und jetzt Arcandor -
schon allein die Diskussion um diese prominenten Fällen zeigt, welche
Dimensionen das Thema gewonnen hat. Mit bangem Blick auf die
Bundestagswahlen wird quer durch die Parteien in unverantwortlicher
Weise um die Zukunft von Unternehmen geschachert, werden Hoffnungen
geschürt und Zuwendungen in Aussicht gestellt.
Wann und wie das Kriseninstrumentarium wie Deutschlandfonds und
Bankenrettungsschirm greifen sollen, hatte die Regierung klar
definiert. Dennoch macht sich in der Republik das dumpfe Gefühl
breit, dass derjenige Hilfe bekommt, der entweder am lautesten brüllt
oder die richtigen Kontakte hat. Hartnäckig hält sich zum Beispiel
das Gerücht, dass ein Anruf der Kanzlerin bei der teilverstaatlichten
Commerzbank diese dazu bewegt hat, Porsche einen Kredit zu gewähren.
"Ich sehe ein echtes Demokratieproblem", sagte kürzlich der
niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit Blick
auf die Vergabe von Staatshilfen. Da hat er recht. Wäre das Thema
nicht so bitterernst, wäre Wulffs Ausspruch dennoch zum Lachen. Er
selbst zählt zu denen, die für Intransparenz sorgen. Das lässt sich
am Beispiel Schaeffler und Porsche zeigen. Beiden ist ihre Gier nach
Wachstum durch eine gigantische Übernahme zum Verhängnis geworden.
Während Wulff Schaeffler mit einer Staatsbürgschaft den Rücken
stärken will, lehnt er eine solche mit Blick auf die Pfründe des
Wolfsburger VW-Konzerns für Porsche ab. Wenn schon innerhalb
Deutschlands Länderinteressen derart dominieren, wen darf es da noch
wundern, dass europaweit, ja weltweit, die Krise einen längst
begraben geglaubten Nationalismus befördert?
Deutschlands Wirtschaft droht am Helfersyndrom der Politik zu
ersticken. Statt die für das Funktionieren des ganzen
Wirtschaftssystems notwendige Rettungsaktion der Banken mit Nachdruck
in die richtigen Bahnen zu lenken, verfällt die Politik in
Aktionismus. Die Finanzinstitute, die auch dank geänderter
Bilanzierungsregeln gute Zahlen vorweisen, halten hübsch ihre
Schäfchen beisammen. Unternehmen erhalten Kredite oft nur noch zu
Zinssätzen, die kaum zu bedienen sind.
Weil der Bankenrettungsschirm klemmt, legte die Regierung mit dem
Deutschlandfonds nach. Nun klopfen immer mehr Firmen in Berlin an,
wollen Geld oder Bürgschaften oder beides. Da die Luft jetzt sehr
schnell sehr dünn wird, bleibt wenig Zeit, um in jedem Fall zu
prüfen, ob die Schieflage hausgemacht oder krisenbedingt ist, ob
Staatshilfe gar den Wettbewerb verzerrt.
Vor der Krise wurde beklagt, dass die Wirtschaft zu viel Einfluss auf
die Politik hat. Jetzt dreht sich das. Wann Berlin die Notbremse
ziehen muss, ist vorauszusehen: Experten erwarten ab Herbst die
Insolvenzwelle. Dann dürften die Kassen leer sein. Das wird denen
schwer zu erklären sein, die ihren Job verloren haben. Das schürt
Politikverdrossenheit. So schadet ein falsch verstandenes das
Helfersyndrom nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Demokratie.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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