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Südwest Presse: Leitartikel: Europawahl

Geschrieben am 08-06-2009

Ulm (ots) - Wohl wahr: Wenn sich kaum mehr als 40 Prozent der
Stimmberechtigen zur Wahlurne bequemen, so zeugt das von gründlichem
Desinteresse am zur Wahl stehenden Objekt. Deshalb ist die
Aussagekraft des Ergebnisses nur bedingt tauglich. Doch in einer
Demokratie entscheiden nun einmal nur diejenigen, die von ihrem
Stimmrecht auch Gebrauch machen. Vor allem, wer auf sein Wahlrecht
verzichtet hat, sollte deshalb jetzt nicht lamentieren.
Bei aller Zurückhaltung drängen sich dennoch einige politische
Erkenntnisse des Urnengangs am Sonntag auf.
Es ist gut, dass die Zeit der regierenden Koalition in Berlin bald um
ist, denn sie verliert laufend an Rückhalt im Wahlvolk.
Innerhalb der Union hat die CSU gegenüber der CDU wieder deutlich an
Boden gewonnen. Es wird immer wahrscheinlicher, dass sich die SPD
erst auf der Oppositionsbank regenerieren und vom Nach-Schröder-Tief
erholen kann, wie es den Grünen schon zunehmend gelingt.
Zwar scheint der andauernde Höhenflug der Linken seit dem
verunglückten Flirt mit der hessischen Ypsilanti-SPD gestoppt, doch
muss man realistisch davon ausgehen, dass in Deutschland einstweilen
fünf Parteien eine Rolle spielen werden auf Bundesebene.
Die FDP ist eigentlicher Gewinner der unter Federführung einer
CDU-Kanzlerin eingeschlagenen staatlichen Rettungsschirm- und
Verschrottungsprämienpolitik, die die Lasten einer weltweiten Krise
künftigen Generationen aufhalst.Parallel zum Aufschwung der Linken
hat die extreme Rechte ihre Basis bei Wahlen verloren. Dass bei
dieser traditionell für Denkzettel genutzten Europawahl in
Deutschland aggressive nationale Parolen nicht mal in den Ost-Ländern
eine Rolle spielten, ist einer der erfreulichsten Aspekte.
Für eine Wahl, der Wähler wie Parteien - gemessen am von ihnen damit
verbundenen Aufwand - herzlich wenig Bedeutung zugemessen haben, sind
das doch substanzielle Erkenntnisse. Die schlechte Wahlbeteiligung,
da sollten sich die vermeintlich ratlosen Parteistrategen in Berlin
nicht täuschen, steht spiegelbildlich für die Aufmerksamkeit, die sie
selbst der Europapolitik bei Parteitagen und Vorstandssitzungen
widmen. Nicht zufällig spielen fast alle deutschen Europakandidaten
in ihren Parteien nur Nebenrollen. Wer jetzt wie SPD-Chef Müntefering
über die mangelnde Mobilisierung der Wähler klagt, sollte seinem
eigenen Spitzenkandidaten für die EU künftig nicht nur in den Monaten
vor der Wahl Gewicht und Stimme verleihen. Der Versuch jedenfalls,
mit dem jetzt garnicht zur Wahl stehenden Kanzlerkandidaten
Frank-Walter Steinmeier zu punkten, ist schief gegangen. Angela
Merkel freilich kann sich nicht recht freuen an der Schwäche ihres
kleinen Partners. Denn die Kanzlerin selbst ist innerhalb ihrer
schwarz-gelben Wunschkoalition die große Verliererin der Wahl. Horst
Seehofer sieht sich in seinem Kurs als CSU-Chef so nachhaltig
gestützt, dass er sich künftig noch stärker auf die Rolle des
Strauß-Erben, des bayerischen Querulanten, konzentrieren und das
Berliner Regierungsgeschäft erschweren wird. Und die FDP hat erst
recht keinen Grund mehr, sich dem geschwächten Wunschpartner
anzubiedern. Die Konsens-Kanzlerin in einer großen Koalition wird
unter diesen Voraussetzungen niemals zur
Richtlinien-Kanzlerin eines christ-liberalen Bündnisses. Zumal in der
CDU nun wohl der Richtungsstreit über Macht und Grenzen des Staates
in der Marktwirtschaft erst richtig losgeht. In
mittelstandsdominierten Ländern wie Baden-Württemberg gewinnt man mit
der Sozialisierung von Konzernverlusten jedenfalls keine
Wahlen.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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