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Berliner Morgenpost: Merkel bestärkt, Europa geschwächt - Kommentar

Geschrieben am 07-06-2009

Berlin (ots) - Man könnte es sich leicht machen nach dieser
Europawahl und die gewohnt staatstragende Interpretation abliefern:
Union verloren, aber Sieger. FDP erwartungsgemäß gewonnen. SPD am
Boden, auch nicht ganz neu. Grüne auf hohem Niveau stabil. Und die
Linke hält trotz allen internen Durcheinanders ihre eisernen Anhänger
bei der Stange. Unterm Strich, alles wie gehabt. Damit wäre die
Sondersendung aus Brüssel beendet, Fortsetzung in fünf Jahren. Ob
sich die Metro Arcandor schnappt oder die Scheichs nach Porsche
greifen, das interessiert die Deutschen allemal mehr als das Treiben
im fernen Brüssel. Fakt ist: EU steht für Egal-Union.
Und genau hier liegt das Problem: In dieser Europawahl ging es um
alles, aber nicht um Europa. Nahezu jedes Wahlplakat führte in die
Irre. Und die Signale der Wähler werden durchweg innenpolitisch
interpretiert, im Hinblick auf die Bundestagswahl und das
innerdeutsche Machtgefüge: Wie groß ist Merkels Kanzlerinnen-Bonus?
Wo steht die SPD wirklich? Was ist die Seehofer-CSU wert?
Deutlicher als je zuvor haben wir uns selbst gezeigt, was wir von der
EU derzeit halten, nämlich nicht viel. Europa gilt im besten Fall als
langweilig, oftmals sogar als lästig. Seit 1989 fällt die
Wahlbeteiligung kontinuierlich.
Zugleich aber führt die Politik konsensual ein großes Theater auf:
Wir in Europa - so wichtig, so mächtig, so wunderbar
zukunftsorientiert. Dieses Stück allerdings wird vor halb leeren
Rängen aufgeführt. Ehrlich betrachtet zeigt diese Wahl vor allem
eines: Europa hat ein mehrfaches Legitimationsproblem. Nur etwa jeder
siebte wahlberechtigte Deutsche hat die siegreiche Union gewählt, nur
jeder 25. hat sich für die kleineren Parteien entschieden.
Das zweite Legitimationsproblem: Die deutschen Europa-Politiker
schaffen es nicht, mit ihren Inhalten durchzudringen. Wenn aber
Abgeordnete auf dünner Stimmen-Basis für keine erkennbaren Themen
stehen, bleibt die Frage, ob überhaupt noch die mehrheitlichen
Interessen des Landes vertreten werden? Vielen Menschen kommt Brüssel
völlig zu recht wie ein Paralleluniversum vor, weit weg vom richtigen
Leben.
In Zeiten der Krise richtet sich das Interesse der Menschen ohnehin
ins eigene Land; europäische Freunde sind im Kampf um Jobs mehr denn
je Wettbewerber. In unsicherer Zeit aber, das lehren alle Wahlen,
neigen die Bürger zu bewährten Kräften. So darf sich die Kanzlerin
trotz deutlicher Verluste gerade für die CDU als Gewinnerin mangels
Gegenwehr fühlen. Denn die Sozialdemokraten haben trotz des Wechsels
von Beck zu Müntefering offenbar keine Strategie gefunden. Ähnlich
ist es in Brüssel: Gegen einen britischen Premier auf Abruf, einen
öligen italienischen Stenz und den Flummi aus Paris ist leicht
glänzen. Angela Merkel also wird etwas beruhigter Richtung
Bundestagswahl schauen. Europa ist damit allerdings auch nicht
geholfen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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