(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Kommentar - Wenn Klein mit Hut wieder auf die Pauke haut

Geschrieben am 01-05-2009

Berlin (ots) - Sie waren gut drauf gestern, die Herren Sommer und
Huber, Schmoldt und Bsirske, alle obenauf. Sie forderten: einen
Schutzschirm für Arbeitsplätze, höhere Steuern für Besserverdiener
und noch höhere für Manager, mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger, mehr
Kaufkraft, wunderbar wohlfeil, dazu Zwangsanleihen und umfassende
Regulierung, bessere Bildung. Vielleicht auch mehr Koteletts für
alle. Der Beifall war ordentlich, das Wetter schön, die Beteiligung
an den gewerkschaftlichen Maikundgebungen gar nicht so übel, obwohl
man angesichts des wirtschaftlichen Umfelds auch mehr hätte erwarten
können, aber na ja.
Es gab jedenfalls schon deutlich schlechtere Jahre für den Deutschen
Gewerkschaftsbund, resignative, selbstverzweifelnde. Jahre, in denen
man am 1.Mai fast Mitleid hätte bekommen können, so sehr
waren die Herrschaften aus der Mode gekommen. Relikte aus Karl-Heinz
Köpckes "Tagesschau": Ernst Breit, Heinz Kluncker, Eugen Loderer,
Oskar Vetter. Gewerkschaften, puuh, wie staubig, ganz die alte
Bundesrepublik.
Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass mit dem Fall der Mauer
alles, was auch nur ansatzweise rot schimmerte, ziemlich unten durch
gerutscht war, kein Wunder auch nach den umfassenden
Offenbarungseiden der osteuropäischen Genossen. Die gemeinsamen
Wurzeln der Gewerkschaftsbewegung hier und der sozialistischen Eliten
da waren ja nicht so ganz zu leugnen. Also zweifelte leicht, wer
nicht Überzeugungstäter war, und wendete sich dann gern auch ab von
der jeweiligen Betriebsgruppe. Der latente Minderwertigkeitskomplex
der organisierten Arbeitnehmervertreter der Nachwendezeit war
insofern nur eine weitere Folge des Niedergangs des real
existierenden Sozialismus.
Nun ist wieder alles anders. Wo Banken wanken, selbst die
allerberühmtesten Unternehmen ins Straucheln kommen, Fiat Chrysler
kaufen will und Opel vielleicht noch dazu, da fühlt sich eben noch
ganz Klein mit Hut auf einmal ziemlich groß. Da wird auf die Pauke
gehauen, als habe man aber auch rein gar nichts zu tun mit denen, die
gestern, zu Zeiten wirtschaftlicher Blüte im Nachhinein, schon das
Geld ausgeben wollten, das heute dringend gebraucht wird. Ohne
Gerhard Schröders gerade von den Gewerkschaften so bitter bekämpfte
Agenda 2010 fiele es der großen Koalition jedenfalls deutlich
schwerer, den wirtschaftlichen Absturz wenigstens einigermaßen zu
dämpfen. Die Kassen der Arbeitsagentur, aus denen heute das
Kurzarbeitergeld gezahlt wird, um so noch höhere Arbeitslosenzahlen
zu vermeiden, wären ziemlich leer ohne die Sozialreformen der ersten
Hälfte dieses Jahrzehnts.
Man muss das bei Maiansprachen nicht unbedingt erwähnen, hätten
Kluncker und die anderen ja früher auch nicht gemacht. Man könnte es
aber. Als Zeichen dafür, dass man auch was gelernt hat aus jenen
Tagen, in denen man den Menschen ja nicht nur zu langweilig, sondern
auch zu plump geworden war, zu undifferenziert und eindimensional.
Das könnte nützlich sein, vielleicht nicht jetzt, in Zukunft aber
allemal.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

200579

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Kommentarauszug zu Arbeitslosenzahlen/1.Mai Frankfurt/Oder (ots) - Das klingt gut: Einen Schutzschirm für Arbeitnehmer solle es geben. Und nicht nur für große Firmen. Was da als eine der vielen Forderungen am Tag der Arbeit bejubelt wurde, spricht vielen Bürgern aus dem Herzen. Aber praktikabel ist ein solcher Schutzschirm nicht. Er würde staatlich verordnete Beschäftigung bedeuten. Und das scheint selbst in Zeiten, wo die Verstaatlichung von Unternehmen nicht mehr tabu ist, denn doch unmöglich. Auf Deutschland kommt sowieso schon eine Neuverschuldung bisher unerreichten Ausmaßes mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Kommentarauszug zu NATO/Russland Frankfurt/Oder (ots) - Dass es für die NATO unbedingt notwendig ist, ein dreiviertel Jahr nach dem Georgien-Krieg ein Manöver mit der Kaukasusrepublik durchzuführen, ist nicht nachvollziehbar. Es sei denn, sie möchte gegenüber Moskau Stärke demonstrieren. Denn der Kreml lässt nichts unversucht, seine Macht in diesem Gebiet auszubauen. Erst erkannte er die abtrünnigen georgischen Teilrepubliken Südossetien und Abchasien diplomatisch an. Und nun unterzeichnet Präsident Dmitri Medwedew einen Vertrag, der seinen Truppen für fünf Jahre die mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: zu Afghanistan: Stuttgart (ots) - Auf die Bundesregierung kommen schwere Zeiten zu: Sie hat den Wählern den Sinn der Mission bis heute weder ehrlich noch hinreichend erklärt. Umso schwerer wird es für die Deutschen, das Sterben ihrer vom Parlament entsendeten Soldaten auszuhalten. Originaltext: Stuttgarter Nachrichten Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/39937 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_39937.rss2 Pressekontakt: Stuttgarter Nachrichten Chef vom Dienst Joachim Volk Telefon: 0711 / 7205 - 7110 cvd@stn.zgs.de mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zu Gesundheitsfonds Ulm (ots) - Rücken Sie vor bis auf Los, heißt es bei Monopoly. Beim Gesundheitsfonds sollte die Spielanweisung an die Regierenden Zurück auf Los lauten. Der einfache Grund: Wie bereits vor seiner Einführung befürchtet, entwickelt sich der künstlich geschaffene Gesamttopf samt seinem Einheitsbeitrag über alle Krankenkassen hinweg als unsinniges Milliardenspiel. Durch dieses wird Versicherten und Arbeitgebern noch weniger klar, wohin die Gelder fließen, die sie zur Versorgung Kranker bereitstellen. Diese Transparenz ist in Krisenzeiten aber mehr...

  • RNZ: Der Mai ist da Heidelberg (ots) - Von Klaus Welzel Eine Million Gewerkschafter demonstrieren gegen die Massenarbeitslosigkeit, für mehr soziale Gerechtigkeit - und sie jubeln dabei der einen oder anderen Forderung zu, mit deren Verwirklichung man der Marktwirtschaft (samt Arbeitsplätzen) den Garaus machen würde. Frank Bsirskes Vorschlag etwa, die Reichensteuer in bestimmten Fällen auf 80 Prozent anzuheben, ist vielleicht marktplatztauglich, in ihrem Kern aber gefährlich populistisch. Überhaupt beschwören die Gewerkschaften im Verbund mit der SPD-Präsidentschaftskandidatin mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht