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Berliner Morgenpost: Achtsamkeit ist die beste Prävention - Kommentar

Geschrieben am 21-03-2009

Berlin (ots) - An diese Sätze wird man sich wohl erinnern, wenn
man einmal zurück denkt an die Trauerfeier von Winnenden. Zum einen:
"Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir", der 130. Psalm, eingangs zu
hören in der Vertonung von Johann Sebastian Bach. Zum andern, in der
Rede des Bundespräsidenten: "Wir brauchen den Trost, das Schweigen,
das Zuhören und das Einfach-nur-Dasein unserer Mitmenschen. Wirklich
wichtig ist, dass wir uns umeinander kümmern, dass wir uns
gegenseitig annehmen und dass wir füreinander da sind."
In der Fernsehübertragung wurde vor dem Gottesdienst irgendein
Fachmann vom Moderator gefragt, ob denn eine Trauerfeier den Schmerz
heilen und das Unglück überwinden könne. Das war erst einmal eine
deplatzierte Frage. Denn die Trauer trägt ihren Sinn in sich selbst,
sie hat keinen "Zweck". Vielmehr müssen wir uns unserer Gemeinschaft
vergewissern und der Hinterbliebenen annehmen. In auffällig stiller
Weise ist dies am Sonnabend geschehen.
Gerade das Stille, Zurückgenommene dabei ist ein Zeichen für eine
gewisse Reife beim Umgang mit derart schrecklichen Morden. Vor sieben
Jahren, nach Erfurt, war das noch anders. Zwar war auch da die
Trauerfeier, auf dem Domplatz, wahrlich ergreifend, aber drum herum
toste ein Orkan der Erklärungen, Interpretationen und Forderungen.
Sie konzentrierten sich seltsam einseitig auf den Täter. Man meinte,
seine Psyche sofort verstanden zu haben - Computerspiele,
Schulverweis, Waffen, Vereinsamung - und leitete daraus Konzepte und
Gesetzesvorschläge ab. Für die Opfer in ihrer stockenden, oft
schweigenden Ratlosigkeit war wenig Raum.
Mittlerweile sind die Gesellschaft und ihre Öffentlichkeit klüger
geworden, weil sie zugeben können, so schnell nicht klug zu werden
aus der Tat. Wir machen uns die Komplexität des Verbrechens und
gerade auch seiner möglichen Ursachen besser bewusst, wenn wir die
Tat und ihre Hintergründe nicht mehr auf einfache Thesen reduzieren.
Zudem ist es ein Zeichen von Anstand gegenüber den Opfern, wenn man
sie nach ihren entsetzlichen Erlebnissen nicht noch dadurch demütigt,
dass man sie mit täterfixierter Küchenpsychologie für das Geschehene
verantwortlich macht. Denn das geschieht ja, wenn der Täter als
Produkt seiner Umwelt beschrieben wird, als trage sie die Schuld an
dem, was ihr widerfuhr.
Dass man gleichwohl alles tun muss, um solche Taten künftig zu
verhüten - wozu natürlich auch das Nachdenken über die seelischen und
sozialen Verstörungen möglicher Täter gehört - das versteht sich von
selbst. Doch einige Aussicht auf Erfolg kann das nur haben, wenn es
ausgeht von jener Kultur der Anteilnahme und Aufmerksamkeit gegenüber
den Opfern, die in dieser Trauerfeier erahnbar wurde. So wie jetzt
auf die Opfer eingegangen wurde, so hat man sich künftig etwa auf
junge Menschen einzulassen - achtsam und besorgt. Insofern kann so
eine Trauerfeier tatsächlich etwas zur Überwindung des Unglücks
beitragen: Sie steht für einen Umgang miteinander, der wohl die beste
Gewaltprävention ist.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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