Berliner Morgenpost: Die üblichen Erklärungen helfen nicht mehr weiter - Kommentar
Geschrieben am 12-03-2009 |   
 
    Berlin (ots) - Noch bevor jemand wusste, was genau geschehen war,  wurden die Erklärungsmuster für den Amoklauf von Winnenden bereits  geliefert. Erleichtert vermerkten Politiker, dass natürlich  Computer-Ballereien im Spiel gewesen seien. Voreilig erklärte  Baden-Württembergs Innenminister Rech den Täter zum normalen jungen  Mann. Die Schützen-Kritiker machten das angeblich zu lasche  Waffenrecht verantwortlich. Und wieder andere wussten zu berichten,  dass ein Unternehmersohn wohlstandsverwahrlost sein müsse. Wieder  einmal funktionierten die Reflexe. Fakt ist: Unzählige Kinder aus betuchtem Hause wachsen normal auf,  Tausende Kinder, auch Mädchen, spielen Counterstrike, und die  Mehrzahl der Schützen geht halbwegs umsichtig mit den Waffen um. Aber nicht jeder Junge, der regelmäßig zur Schule geht, ist auch ein  harmloser Zeitgenosse. In allen Kulturen, in allen Epochen der Menschheit galt der  Heranwachsende als Problemfall. Junge Männer sind körperlich  entwickelt, doch die Psyche wackelt. Sie nabeln sich von der Familie  ab, ohne eine Identität zu spüren. Sie ahnen den Druck von Anpassung  und Aufstieg, aber sie träumen von Rebellion und Ausbruch. TV-Serien  wie "Jackass" oder "Fist of Zen" illustrieren, wie schmerzfrei,  brutal und gefühlsschwankend junge Männer sein können. Man kann sie  zu sportlichen Höchstleistungen animieren, aber ebenso zum  Komatrinken. Heranwachsende neigen überproportional zu Drogenkonsum,  Depression, Kriminalität und Selbstmordgedanken. Den Zugang zu  scharfen Waffen sollte man ihnen also absolut unmöglich machen. Viele Kulturen schufen ihre Rituale, junge Männer zu domestizieren.  Urvölker schickten ihre Knaben in den Wald, wo sie Einsamkeit und  Angst, den Wert einer Gruppe und Verantwortung lernen sollten.  Handwerker kennen die bisweilen quälenden Lehrjahre, die nicht nur  Fachwissen bringen, sondern auch Unterordnung erzwingen sollten. Außer Konfirmation und Führerscheinprüfung hat unsere  überzivilisierte Gesellschaft kaum mehr Initiationsrituale, die  jungmännliche Wutbomben entschärfen. Der Bedarf nach physischen  Grenzerfahrungen, nach Lob und Beachtung wird mit Schrott vom  Elektronik-Discounter beantwortet. So kapseln sich einige labilere  Jungen ab, versteigen sich in Killer-Phantasien und suchen im  Internet nach Drehbüchern für brutalstmöglichen Ruhm. Dass die  Weltpresse in Winnenden einfällt und ihm zumindest posthum  Aufmerksamkeit verschafft, mag vom Täter durchaus kalkuliert worden  sein. Sozialpädagogische Konzepte bieten einige Auswege - eine  freundschaftliche Rauferei, ein Nachmittag mit dem Vater auf dem  Bolzplatz sind allerdings auch schon hilfreich. Fakt ist: Unser  Umgang mit den ebenso liebenswerten wie problematischen  Heranwachsenden entscheidet ganz erheblich darüber mit, ob sie den  Sprung in die Erwachsenenwelt heil überstehen. Oder ob sie wegdriften in furchtbare Fantasiewelten. Und deshalb geht er uns alle an.
  Originaltext:         Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
  Pressekontakt: Berliner Morgenpost Chef vom Dienst Telefon: 030/2591-73650 bmcvd@axelspringer.de
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