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Berliner Morgenpost: Das Fiasko in Hessen reißt die SPD auch im Bund mit - Kommentar

Geschrieben am 03-11-2008

Berlin (ots) - Eigentlich kann SPD-Parteichef Franz Müntefering
nicht wirklich unglücklich darüber sein, dass Andrea Ypsilantis
verbissener Kampf um den Ministerpräsidenposten am Ende gescheitert
ist. Ihr misslungener Versuch, dank freundlicher Unterstützung der
Ultralinken doch noch irgendwie an die Macht zu kommen, könnte der
Beteuerung der SPD nämlich ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit
verleihen, dass es anders als in Hessen im Bund 2009 keine wie auch
immer geartete Kuschelei mit der Linkspartei geben wird. Das hatte
Frau Ypsilanti in Hessen zwar auch versprochen, ihr Wort dann aber
bekanntlich aus Machtgier gebrochen.
Wenn jetzt schon auf Landesebene vier gewissensgeplagte
Sozialdemokraten eine SPD-Regierung von Gnaden der Linkspartei
torpedieren, dann müsste ein vergleichbares Experiment auf
Bundesebene zumindest 2009 erst recht chancenlos sein. Doch statt
zumindest klammheimliche Erleichterung über das aus den eigenen
Reihen erzwungene Ende von Frau Ypsilantis Irrweg durchschimmern zu
lassen, attackiert Müntefering die Vier, empört sich über deren
Verantwortungslosigkeit - und schweigt zum Wortbruch der Mehrheit.
Ein glaubwürdiges kategorisches "Nein" zu Experimenten mit Lafontaine
und Gysi auf Bundesebene hört sich anders an.
Zu Recht kann man den drei Landtagsabgeordneten vorhalten, sich -
anders als Frau Metzger - viel zu spät aus der Deckung gewagt zu
haben und die eigene Kandidatin ins offene Messer laufen zu lassen.
Wer allerdings erlebt hat, wie die drei gestern ihre
Gewissensentscheidung begründet, wie sie letztlich die Interessen des
Landes Hessen über die ihrer Partei gestellt haben, der musste den
Eindruck von hoher persönlicher Glaubwürdigkeit gewinnen. Zumal sich
ihre politischen Karrieren - obwohl Abgeordnete in ihren
Entscheidungen frei, an keine Weisungen gebunden und allein ihrem
Gewissen verantwortlich sind - unweigerlich dem Ende nähern. Das
gleiche Schicksal dürfte demnächst auch die zur Führung unfähige
Andrea Ypsilanti ereilen.
Die Regierung Koch dagegen kann ihre Akten wieder auspacken, die
bereits gedruckten Ernennungsurkunden für die Nachfolger schreddern
und als Minderheitsregierung weiter regieren; zumindest bis zu
Neuwahlen. Die sind jetzt der einzig akzeptable Ausweg.
Nicht nur für Hessens SPD, auch für die Bundespartei ist der tiefe
Fall der dortigen Genossen ein Desaster. Viel zu lange haben erst
Kurt Beck und dann Franz Müntefering Frau Ypsilanti gewähren lassen.
Noch gestern war sich auch "Münte" ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin
sicher und hatte ihr zugerufen: "Macht was Ordentliches draus!" Nun
ist mit dem Gegenteil zu rechnen. Die SPD hat sich selbst als
zerrissen und gegenüber ihren Partnern als unzuverlässig erwiesen.
Das könnte im Mai nächsten Jahres schon wieder unangenehme Folgen für
die SPD haben, wenn der nächste Bundespräsident gewählt wird. Auch
die Kandidatur von Gesine Schwan ist innerhalb der SPD nicht
unumstritten, außerdem baut sie wie Andrea Ypsilanti auf alle Stimmen
der Grünen und der Linkspartei. Mit deren Nibelungentreue kann Frau
Schwan seit gestern allerdings schwerlich länger rechnen. Damit wird
ihre Wahl noch unwahrscheinlicher. Statt Aufbruch der nächste Absturz
der SPD. Und das vier Monate vor der Bundestagswahl.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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