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WAZ: Merkels Krisenmanagement - Operation Vertrauen in Gefahr - Leitartikel von Ulf Meinke

Geschrieben am 15-10-2008

Essen (ots) - Zugegeben: Der Fall Tietmeyer entscheidet nicht
darüber, ob die Große Koalition ihre historische Bewährungsprobe
angesichts der weltweiten Finanzkrise besteht. Doch es wäre
unpolitisch, den Eklat um den früheren Bundesbank-Präsidenten als
bloße Fußnote der Zeitgeschichte abzutun. Denn die Vorgänge werfen
Schatten auf das Krisenmanagement der Merkel-Regierung. Die Operation
Vertrauen, zu der die Kanzlerin aufgebrochen ist, gerät in Gefahr.

Bitter für Merkel: Bisher hat sie die Bundesregierung souverän
durch die Finanzkrise geführt. Die dramatische Situation schweißt die
Große Koalition regelrecht zusammen. Parteipolitisches Klein-Klein
passt nicht in eine solche Zeit. Die Zusammenarbeit zwischen der
Kanzlerin, SPD-Finanzminister Peer Steinbrück und Vizekanzler
Frank-Walter Steinmeier funktioniert nahezu reibungslos. Die breite
parlamentarische Mehrheit, über die CDU, CSU und SPD verfügen, gibt
der Regierung Spielraum für ihr Krisenmanagement.

Vertrauen ist die Währung, mit der die Politik handelt. Gerade
deshalb ist die Panne, die Merkel unterlaufen ist, so brisant. Nur
wenige Menschen durchschauen die komplexen Strukturen der
internationalen Kapitalmärkte, doch Merkels Blamage im Fall Tietmeyer
ist auf den ersten Blick zu erkennen. Die Kanzlerin bittet Tietmeyer,
den Vorsitz eines Expertengremiums zur Finanzkrise zu übernehmen -
und blitzt ab.

Tietmeyers Benennung sollte Teil der vertrauensbildenden
Maßnahmen sein, doch sie bewirkte das Gegenteil. Wie konnte das
passieren? War Merkels Beratern entgangen, dass Tietmeyer im
Aufsichtsrat des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real
Estate (HRE) sitzt? War ihnen nicht bekannt, dass er zuvor sogar
mehrere Jahre lang die deutsch-irische Depfa-Bank kontrollierte,
jenes Institut also, das den heutigen Mutterkonzern HRW beinahe
ruiniert hätte? Sollte Merkel gewusst haben, dass Tietmeyer einen
Sitz im HRE-Kontrollgremium hat, müsste man an ihren politischen
Instinkten zweifeln. Wahrscheinlicher ist, dass die Kanzlerin
schlecht beraten wurde, was ebenfalls peinlich ist.

Der Missgriff hinterlässt Kratzer an Merkels Image als Retterin
in der Not. Viel hängt nun davon ab, ob die Kanzlerin einen
geeigneten Ersatzkandidaten für Tietmeyer findet. Der künftige
Regierungsberater sollte allerdings tatsächlich das repräsentieren,
was die Regierung anstrebt: eine echte Reform der Finanzmärkte für
eine menschliche Marktwirtschaft.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
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Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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