(Registrieren)

Südwest Presse: Kommentar zu Pakistan

Geschrieben am 18-08-2008

Ulm (ots) - Einer der umstrittensten Staatschefs der Welt, der
Pakistani Pervez Musharraf, hat gestern seinen Rücktritt angekündigt.
Er war Putschist, hat mehrmals die Verfassung gebrochen und
willkürlich den Ausnahmezustand verhängt. Seine Verwicklung in den
Atomtechnologie-Export in Staaten wie Libyen und Nordkorea ist ebenso
undurchsichtig wie seine Haltung zum Nachbarland Afghanistan, in dem
er offiziell die westlichen Aufbaubemühungen unterstützt. Und
dennoch: Trotz all dieser Fragwürdigkeiten galt er als halbwegs
verlässlicher Partner, der zumindest dafür sorgte, dass man sich um
die pakistanischen Atomsprengköpfe keine Sorgen zu machen brauchte.
So schlimm steht es um Pakistan, dass man befürchten muss, Musharraf
bald zu vermissen.
Denn aussichtsreichster Nachfolgekandidat ist Ashfaq Kayani, der von
Musharraf im November bereits das Amt des Armeechefs übernahm. Er war
lange Chef des Geheimdienstes ISI, eines Staates im Staate mit
eigener Außenpolitik, vor allem gegenüber Afghanistan. Dieser
Geheimdienst war die Kraft hinter dem Regime der Taliban in
Afghanistan, und es gibt berechtigte starke Zweifel, ob der
offizielle Schwenk Musharrafs hin zur westlichen Anti-Terror-Politik
nach dem 11. September 2001 nicht - mit oder gar ohne seine Billigung
- von den ISI konterkariert wird.
Was zum Beispiel ist in Waziristan los, das sind die Stammesgebiete
an der Grenze zu Afghanistan? Beide möglichen Antworten auf diese
Frage sind höchst beunruhigend. In Waziristan sind die Ausbildungs-
und Erholungslager der Taliban, dort wird die Al-Kaida-Spitze
vermutet. Von dort geht die größte Bedrohung der westlichen Soldaten
in Afghanistan aus; gegen die schier unerschöpflichen, von dort ins
Nachbarland einsickernden Kräfte wird der Krieg gegen den Terror
nicht gewonnen werden, sondern ein böses Ende nehmen. Dort wird auch
die Internationale des islamistischen Terrors trainiert. Ist es nun
so, und das ist die offizielle Lesart, dass die Regierung in
Islamabad die Kontrolle über dieses Gebiet verloren hat
beziehungsweise in der 61-jährigen Geschichte Pakistans nie wirklich
hatte? Oder hat der afghanische Geheimdienstchef Amrullah Saleh Recht
mit der Behauptung, dass die pakistanische Regierung die Taliban
bewaffnet und entsendet?
Wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestern den angekündigten
Rücktritt Musharrafs mit den Worten kommentierte, man brauche
"Pakistan als Partner für die Stabilität in der Region", so klingt
das eher wie ein Wunsch nach einem dramatischen Wandel als wie ein
Wunsch nach Kontinuität. Bisher zumindest ist die pakistanische
Regierung entweder unfähig oder unwillig, die westlichen Bemühungen
um eine Stabilisierung Afghanistans zu fördern; vermutlich trifft
beides zu.
Denn Pakistan selbst ist alles andere als stabil. Zwar fanden 2007 -
nach der Ermordung der Spitzenkandidatin Benazir Bhutto - für
pakistanische Verhältnisse erstaunlich wenig manipulierte Wahlen
statt, aber das politische System ist notorisch korrupt. Die
Gesellschaft wird immer wieder erschüttert durch islamistischen
Terror, der sich vor allem gegen die verschwindend kleine christliche
Minderheit und jegliche Tendenzen der Verwestlichung richtet. Die
pakistanischen Frauen gehören zu den unterdrücktesten der Welt, was
getragen wird von einer rückwärts gewandten, intoleranten
sunnitischen Geistlichkeit und einer Richterschaft, die zumindest auf
dem Lande ähnlich denkt und urteilt.
Ein solches Land hinterlässt Musharraf nach neun Jahren Herrschaft.
Einziger Stabilitätsfaktor ist die Armee, die sich immer wieder
genötigt sieht, die Macht an sich zu reißen. Man wünschte sich einen
besseren Partner als diesen maroden Staat.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

153682

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Rainer Wend Bielefeld (ots) - Der Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Wend ist ohne Frage in der Region ein politisches Schwergewicht. Er war ein vehementer Verfechter der von der Regierung Schröder angestoßenen Arbeitsmarktreform. Genau dieser Umstand ist ihm nach der Bundestagswahl 2005 zum Verhängnis geworden. In einer wieder deutlich nach links rückenden und in einer großen Koalition gefangenen SPD konnte er als »Schröderianer« seine bundespolitischen Ambitionen nicht mehr durchsetzen. Wend ist ehrgeizig. Er wäre gern mehr geworden als mehr...

  • WAZ: Datenskandal weitet sich aus - Sorglos - Leitartikel von Ulf Meinke Essen (ots) - In Zeiten des Internets können Daten fast kinderleicht gesammelt, sortiert und weitergegeben werden. Kein Wunder, dass ein ebenso lukrativer wie zwielichtiger Markt entstanden ist. Ein Ärgernis: Manche Angebote im Internet werden davon abhängig gemacht, dass man in die Weitergabe von Daten zu so genannten Marketingzwecken einwilligt. Am Ende kann der Datenhandel stehen - und damit häufig illegale Geschäftspraktiken von unerwünschter Telefonwerbung bis zu untergeschobenen Verträgen oder betrügerischen Kontoabbuchungen. Das mehr...

  • WAZ: Arbeitslose in die Altenheime? Der falsche Ort für ein Jobprogramm - Leitartikel von Stefan Schulte Essen (ots) - Die Regierung will Demenzkranken helfen. Richtig so. Die Regierung will Arbeitslose in Arbeit bringen. Gut. Daraus den Plan zu schmieden, Demenzkranke von Arbeitslosen betreuen zu lassen, ist aber nur aus ganz kurzer Sicht naheliegend. Denn mit einer Logik dieser Kühnheit lassen sich Probleme am Schreibtisch leicht lösen. Nur ist das wirkliche Leben leider komplizierter und entzieht sich mit besonderer Vorliebe logischen Vorgaben kühner Politstrategen. Zum Beispiel lassen im wirklichen Leben Unternehmen, sogar karitative, mehr...

  • LVZ: Zu Rücktrittsankündigung von Musharraf Pulverfass Pakistan Leipzig (ots) - Von Anita Kecke Pervez Musharraf ist mit seinem Rücktritt gerade noch so seinem Rauswurf aus dem Präsidentenamt zuvorgekommen. Der General hatte mit der Armee seine Machtbasis verloren und mit seiner Politik das Vertrauen der Bevölkerung verspielt. Die Wirtschaft befindet sich im Sinkflug, und die Sicherheitslage verschlechtert sich ebenso. Selbst die USA, die den ehemaligen Armeechef zum Verbündeten im Kampf gegen El Kaida erkoren hatten, schauten sich schon nach einflussreicheren Politikern um. Doch mit dem Abgang Musharrafs mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Georgien = von Alexander Marinos Düsseldorf (ots) - Was wären wir über Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hergefallen, wenn er es gewagt hätte, der Bundeskanzlerin derart in die Parade zu fahren, wie sie es nun umgekehrt getan hat. Ihr Hinweis bei ihrem Georgien-Besuch, das Land könne, wenn es wolle, Nato-Mitglied werden, war ein Fehler. Während Sarkozy als EU-Ratspräsident bemüht ist, die Balance zwischen den Konfliktparteien im Kaukasus zu halten, hat Angela Merkel dem aggressiven georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili ein unverhofftes Geschenk gemacht. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht