(Registrieren)

WAZ: Die SPD und die Linkspartei - Zustände wie in einer Spelunke - Leitartikel von Angela Gareis

Geschrieben am 13-08-2008

Essen (ots) - Nach einer ordentlichen Schlägerei im Wirtshaus
wissen die Beteiligten gewöhnlich nicht mehr genau, wer eigentlich
angefangen hat. Sie wissen nur, dass praktisch jeder jeden
verdroschen hat mit dem einzigen Ziel, Beulen sowie Scherben zu
erzeugen. Kurt Beck hatte, zur Erinnerung, vor den Landtagswahlen in
Hessen, Niedersachsen und Hamburg ein Verbot für eine Zusammenarbeit
mit der Linkspartei im Westen verhängt. Franz Müntefering
widersprach, aber Beck blieb dabei, angefeuert von der Union.

Dann erlitt Andrea Ypsilanti eine anhaltende Umnachtung und brach
ihr Wort, und Beck brach seins, weil es ihm ohnehin nicht zustand,
den Landesverbänden Vorschriften zu erteilen. Seitdem geht es bei der
SPD zu wie in einer billigen Spelunke. Im großen Handgemenge kann man
schemenhaft erkennen, wie der niedersächsische Landeschef auf den
Fraktionschef einhaut und ein saarländischer Schattenminister auf den
Spitzenkandidaten. Hauptsächlich aber sieht man ein wildes
Durcheinander, und nur eines ist klar: Die Verletzungen werden
gravierend sein, gleichgültig ob Ypsilanti scheitert oder mit Hilfe
der Linken zur Ministerpräsidentin gewählt wird. Ein Scheitern würde
Ypsilanti politisch nicht überleben, was man kaum bedauern müsste,
und Beck wäre ernsthaft gefährdet. Denn der Vorsitzende hat nicht nur
nichts verhindert, sondern mit seinem rein taktisch motivierten
Verbot die Grundlage für Wortbrüche und Glaubwürdigkeitsverlust sogar
selbst geschaffen. Würde Ypsilanti gewählt, dürfte die Situation noch
komplizierter geraten. Man kann sich einen Parteirechten wie
Frank-Walter Steinmeier schwerlich als Kanzlerkandidaten einer
zerschlagenen Partei vorstellen, von der Folgendes übrig wäre: ein
versehrter Vorsitzender, eine Ministerpräsidentin als lebendes
Denkmal für Unglaubwürdigkeit im Umgang mit den Linken und ein
entfesselter linker Flügel.

Im Grunde müsste die SPD einen radikalen Neuanfang versuchen,
aber wie, wenn jeder macht, was er will? Möglicherweise offenbart der
Streit der SPD mit der Linkspartei und sich selbst keine
vorübergehende Identitätskrise. Möglicherweise geht es gar nicht mehr
um eine Auseinandersetzung zwischen Reformen und sozialer
Gerechtigkeit, sondern um die Frage: Ergibt sich die SPD in einem
quälenden Prozess der Individualisierung der Gesellschaft, und der
brutale Egoismus der Ypsilantis ist nur ein Symptom? Allmählich muss
man sich ernsthaft Sorgen machen um die SPD. Die einst stolze
Volkspartei liegt am Boden. Dass die Union glaubt, noch zutreten zu
müssen, spricht für sich.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

152977

weitere Artikel:
  • WAZ: Lehrerprotest gegen Aktionismus - Der Frust sitzt zu tief - Leitartikel von Sigrid Krause Essen (ots) - Von wegen: Der Ministerpräsident tauscht zwei Pressesprecher im Schulministerium aus und alles wird gut. Am Dienstag versuchte Rüttgers, Chaos und Ärger vom Frühjahr um das Zentralabitur als Kommunikationspanne herunterzuspielen. Die harsche Kritik der traditionell eher konservativen Lehrerverbände am "Reform-aktionismus" der Landesregierung sollte ihn nun eines Besseren belehren: Sechs Wochen Ferien haben den tief sitzenden Frust in den Lehrerzimmern nicht besänftigt. Die alten Konfliktfelder bleiben akut. Und der Wunsch, mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Öl Bielefeld (ots) - Der Ölpreis fällt und vieles spricht dafür, dass er nicht mehr steigt. Das liegt nicht nur an den Spekulanten, die wieder in andere Werte gehen, auch nicht nur an der erlahmenden Konjunktur weltweit. Selbst die Georgien-Krise ließ den Ölpreis nur für kurze Zeit nach oben ausschlagen. Offenbar sind es strategische Überlegungen der Ölförderländer, die den Preis drücken. Allen voran Saudi-Arabien, das schon Mitte Juni seine Produktion um 300.000 Fass auf 9,7 Millionen Barrel pro Tag erhöht hat. Die strategische Rechnung mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Sudan Bielefeld (ots) - Während das Weltinteresse auf den Kaukasus gerichtet ist, hat die Bundesregierung das Mandat für zwei Friedensmissionen im Sudan mit leichter Hand um ein Jahr verlängert. Ähnlich dürfte es demnächst im Bundestag laufen. Der Bundeswehreinsatz Deutschlands im größten und in jeder Beziehung heißesten Staat Afrikas ist wichtig und begrüßenswert. Er ist aber auch riskant und von wachsender Brisanz geprägt. Seit der Völkermord-Anklage des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir im Mai muss mit allem gerechnet werden. Die mehr...

  • Westfalenpost: Unter dem Deckel Hagen (ots) - Krankenhäuser brauchen mehr Geld Von Lorenz Redicker Die Not ist groß in den deutschen Krankenhäusern - und der Frust. Schon seit Jahren sind die Kliniken systematisch unterfinanziert. Weil die letzten Sparreserven längst angezapft sind, ist in den meisten Häusern die Grenze des Machbaren erreicht. Massive Kostensteigerungen - Folge vor allem der Tarifabschlüsse oder hoher Energiepreise - können nicht mehr aufgefangen werden, es sei denn, man spart beim Personal. Aber Ärzten und Pflegern fehlt schon jetzt die Zeit für das mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: zu Ypsilanti/SPD: Stuttgart (ots) - Längst schielen andere SPD-Landesverbände verstohlen auf die Linkspartei als möglichen Partner. Die SPD hat nicht mehr viel Zeit, ihr Verhältnis zur Linkspartei zu klären. Es ist nur schwer zu erläutern, warum die Ex-Kommunisten aus dem Osten in Berlin und in den neuen Ländern in Regierungsverantwortung stehen, während die SPD im Westen ihre ehemaligen Parteifreunde mit einem Bann belegt. Ypsilanti schlägt neue Pflöcke ein. Originaltext: Stuttgarter Nachrichten Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/39937 mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht