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WAZ: Präsidentenwahl in Russland - Der Schein trügt - Leitartikel von Florian Hassel

Geschrieben am 02-03-2008

Essen (ots) - Wenige Tage vor der Präsidentenwahl befragte
Russlands letztes unabhängiges Meinungsforschungszentrum Lewda 1600
Russen. Das Ergebnis: Je länger der so genannte Wahlkampf dauerte, in
dem Oppositionelle nicht registriert oder benachteiligt wurden und im
meinungsmachenden Fernsehen fast nur der designierte Thronfolger
Dmitrij Medwedew positiv erwähnt wurde, desto desillusionierter
wurden die meisten Russen. 58 Prozent der Befragten gaben an, die
Wahl sei eine Farce.

Die Schlussfolgerung, unabhängig vom offiziell verkündeten
Ergebnis der Sonntagswahl: Die Legitimität des neuen Präsidenten
Dmitrij Medwedew und seines mutmaßlichen Premierministers Wladimir
Putin ist wesentlich geringer als die Kreml-Propaganda glauben machen
möchte. Dies stellt besonders den neuen Präsidenten vor ein Problem.
Medwedew haftet das Image des Softies an, der am Gängelband Putins
hängt.

Um dies zu ändern, muss sich Medwedew über kurz oder lang von
Putin emanzipieren. Klebt Putin aber an der Macht und will auch als
Premierminister die erste politische Geige spielen, dann ist Medwedew
gezwungen, Putin zu entlassen. Oder Putin tritt freiwillig zurück.
Das ist nicht so unwahrscheinlich, denn hätte Putin die Macht um
jeden Preis bewahren wollen, so hätte er ohne alle Probleme die
Verfassung ändern und im Kreml bleiben können. Der - bisher nur
angekündigte - Wechsel ins Amt des Premierministers diente
möglicherweise nur dazu, die nicht vorhandene Popularität Medwedews
durch Putins Ansehen zu stützen und diesem ins Amt zu helfen. Stimmt
diese Variante, ist auch Putins Abschied von der Macht als Premier
vorstellbar.

In jedem Fall steht Russland vor zunehmender Instabilität. Die
Machtelite wird nicht wissen, ob sie sich auf Medwedew umorientieren
soll. Kämpfe, Festnahmen, auch Morde zwischen den verschiedenen
Lagern haben schon in den Monaten vor der Wahl zugenommen - sie sind
mit der Vereidigung eines zunächst schwachen Präsidenten nicht
vorbei, sondern werden weitergehen, vielleicht zunehmen. Und es
dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Russland wieder von einem
Terroranschlag erschüttert wird. Zudem ist bei rasant steigenden
Preisen und Mieten mehr als genug sozialer Sprengstoff vorhanden, der
das vom Kreml gepflegte Bild eines aufstrebenden Russland schneller
zerspringen lassen kann, als Bilder von einem strahlenden Sieger
Medwedew dies vermuten lassen. Die scheinbar so solide Stabilität im
heutigen Russland ist brüchiger, als es auf den ersten Blick
erscheint.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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