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Lausitzer Rundschau: Debatte um Kindstötungen in Ostdeutschland: Verwahrlosung der Wortwahl

Geschrieben am 24-02-2008

Cottbus (ots) - Brandenburgs Sozialministerin Dagmar Ziegler sagte
vor kurzem, die Nachrichten über den Tod von Neugeborenen durch die
Hand der eigenen Mütter machten sie "sprachlos". Die Worte der
SPD-Politikerin offenbaren ein Dilemma, für das auch die beste
Politik keine einfache Lösung finden kann. Kindstötungen durch die
Mutter sind nicht nur schwer zu begreifen, sie sind nirgendwo mit
Sicherheit zu verhindern. Die jüngste Häufung solch schrecklicher
Ereignisse im Osten der Republik mag auch in der Geschichte und in
den besonderen Verhältnissen dieses Teils des Landes erklärbar sein -
aber warum dies so sein sollte, hat bislang noch keiner schlüssig
nachweisen können.
Zu den erkennbaren Besonderheiten zählt allerdings, dass jetzt
einigen politischen Führungskadern in Ostdeutschland das vernichtende
Wort von der fortschreitenden "Verwahrlosung" einfällt: zunächst in
Potsdam den Sozialdemokraten und dabei allen voran ausgerechnet
Manfred Stolpe; und jetzt auch dem anhaltinischen
CDU-Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer. Eine solche Wortwahl
signalisiert allerdings genau das, was vermieden werden sollte in der
traurigen Auseinandersetzung um den Tod dieser kleinen,
schutzbedürftigen Menschen.
Es macht die Taten zu kollektiven Schicksalsschlägen, begründet durch
die Abwanderung oder die Arbeitslosigkeit oder die Zustände in der
DDR. Und diese Wortwahl enthebt die Politik zu einem guten Teil der
Verantwortung dafür, etwas zu tun.
Dabei gibt es hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass sehr wohl viel
getan werden kann und getan werden muss. Denn Kindstötungen sind ja
keinesfalls nur ein Geheimnis. Sie sind, wie jedes andere Verbrechen,
mit hinreichender Mühe erklärbar und damit zwar nicht vollständig,
aber in dem einen oder anderen Fall doch zu verhindern.
Auffällig ist in der Debatte beispielsweise, dass der Schulbereich
völlig außen vor bleibt. Die Täterinnen waren über viele, viele Jahre
und auch nur wenige Jahre vor ihren Taten in der erzieherischen Obhut
auch des demokratischen Staatswesens. Die Frage, wie sie dadurch
geprägt wurden, drängt sich auf. Hinter vorgehaltener Hand sagen
viele Politiker, dass sie dem Schulsystem insgesamt wenig zutrauen an
kluger Begleitung des Reifeprozesses junger Menschen. Wir brauchen
bessere Antworten auf viele offenen Fragen, die sich in diesem
Zusammenhang aufdrängen. Wir sollten beispielsweise wissen, ob den
jungen Frauen nahe gebracht wurde, dass es immer wenigstens einen
Menschen, wenigstens eine Institution gibt, der man sich in
seelischer Not, in Panik und Zukunftsangst anvertrauen kann. Das zu
vermitteln, diese altmodische Form der Heimatkunde, gehört zu den
wichtigsten Aufgaben einer jeden Schule und oft gelingt dies ja auch.
Das Totschlagsargument von der allgemeinen Verwahrlosung aber leugnet
auch diese Tatsache. Dass es von Politikern kommt, die jahrelang an
der Spitze standen oder stehen, ist ein erschreckendes, überflüssiges
Armutszeugnis.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069
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Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de


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