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Westdeutsche Zeitung: Brandkatastrophe von Ludwigshafen = von Eberhard Fehre

Geschrieben am 05-02-2008

Düsseldorf (ots) - Es war eine merkwürdig kontrollierte, fast
schon klinisch reine Reaktion, mit der die deutsche Öffentlichkeit,
Medien wie Politiker, auf die Tragödie von Ludwigshafen reagierte.
Der qualvolle Tod von neun Menschen, darunter fünf Kindern,
erschütterte, die wunderbare Rettung des aus einem Fenster geworfenen
Kleinkindes rührte uns. Und obwohl es gewiss niemanden gab, der nicht
unwillkürlich bei diesen Bildern an die Möglichkeit eines Verbrechens
dachte, legte sich ein kollektives Schweigegelübde über das Land:
Jede Erinnerung an Solingen oder Mölln wurde vermieden. Als könnten
wir, wenn wir nur den Teufel nicht beim Namen nennen, dessen
Erscheinen auch verhindern. Und so hofften wir auf schnelle
Aufklärung - nur ein schreckliches Unglück.
Aber obwohl sich die Beweislage nicht tatsächlich und belastbar
geändert hat, haben sich die Gewichte plötzlich ins andere Extrem
verschoben. Türkische Zeitungen schreiben von einem "zweiten
Solingen", Ministerpräsident Erdogan kommt morgen zum Fototermin nach
Ludwigshafen, und die Bundesregierung musste sich dankbar zeigen,
dass die Türkei eigene Ermittler nach Deutschland schickt. Nun ist
die deutsche Polizei nicht gerade für ihre Schlampigkeit bekannt,
aber es blieb uns wohl tatsächlich nichts anderes übrig.
Zwei türkische Mädchen - Überlebende der Katastrophe - wollen einen
Mann zündeln gesehen haben, der perfekt deutsch gesprochen habe.
Selbst wenn die Beobachtung stimmen sollte, ist sie allein noch kein
Beweis für ein fremdenfeindliches Verbrechen. Das Deutsch der beiden
Mädchen - alle konnten es im Fernsehen hören - ist eine Zierde für
jeden Integrationsbeauftragten. Aber allein die vage Möglichkeit,
dass es doch so gewesen sein könnte, bestärkt unsere eigene
Unsicherheit - das Gefühl, unser zivilisatorischer Lack könne am Ende
doch nur so bedauerlich dünn sein, dass eine derartige Gewalttat
nicht gänzlich auszuschließen sei.
Im Kontrast dazu steht die türkische Reaktion. Sie stellt
Selbstsicherheit zur Schau, fast Selbstgerechtigkeit. Wir mögen sie
vielleicht etwas zu triumphierend und auch nahe der Anmaßung
empfinden. Aber wir müssen sie hinnehmen. Und inständig darauf
hoffen, das am Ende die Ermittlungen ergeben: Es war nur ein
schreckliches Unglück.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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