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Deutsche Umwelthilfe unterstützt Klagen gegen das Klimaschutzgesetz: Betroffene aus Bangladesch und Nepal sowie Kinder und junge Erwachsene aus Deutschland pochen auf ihre Grundrechte

Geschrieben am 15-01-2020

Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe unterstützt zwei Verfassungsbeschwerden für
den Klimaschutz zur Einhaltung des 1,5 Grad-Limits - Klimaschutzpaket reicht
nicht aus, um Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum zu
schützen - Gesetzgeber und Bundesregierung stehen zahlreiche
CO2-Einsparmaßnahmen für Verkehr, Energie, Gebäude und Kreislaufwirtschaft
längst zur Verfügung

Da die Bundesregierung trotz Klimakrise noch immer wirksame Klimaschutzpolitik
blockiert, unterstützt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zwei vor dem
Bundesverfassungsgericht eingereichte Klimaklagen zur Begrenzung der
Erderhitzung auf 1,5 Grad. Beschwerdeführer sind zum einen 15 Betroffene aus den
unmittelbar von der Klimakrise bedrohten Ländern Bangladesch und Nepal. Zum
anderen klagen 10 Kinder und junge Erwachsene im Alter zwischen 11 und 22 Jahren
aus Deutschland, die die Folgen der Klimakrise zukünftig hart treffen werden.
Die Klage richtet sich gegen das unzureichende Klimaschutzgesetz, das
Bundesregierung und Bundestag beschlossen haben.

Deutschland ist weltweit sechstgrößter Emittent von klimaschädlichem CO2. Doch
weder die im Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaschutzziele noch die
angestrebten Maßnahmen genügen, um den für Deutschland erforderlichen Beitrag zu
leisten, mit dem die Erderhitzung auf die im Pariser Klimaabkommen beschlossenen
1,5 Grad beschränkt werden kann. Der Gesetzgeber hat es versäumt, ein für die
Einhaltung des 1,5 Grad-Limits noch zur Verfügung stehendes CO2-Budget für
Deutschland festzulegen und die dazu erforderlichen und prognostisch belastbaren
Maßnahmen zu benennen.

Mangelhafte Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland betreffen nicht nur die
Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik, sondern alle Menschen - bereits
heute, aber auch zukünftig. Die am Freitag, den 10. Januar eingereichten
Verfassungsbeschwerden stützen sich auf die grundrechtlichen Schutzpflichten der
Bundesrepublik für Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1
GG sowie das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte stehen
allen Menschen zu, egal wo sie leben. Die deutsche öffentliche Gewalt muss den
für Deutschland erforderlichen Beitrag leisten, um diese Grundrechte nicht zu
gefährden.

Dazu Remo Klinger, der die Beschwerdeführer juristisch vertritt: "Klimaschutz
ist Grundrechtsschutz. Und Grundrechtsschutz bedeutet, dass die Lebensgrundlagen
für junge Generationen und Menschen in den am stärksten betroffenen Ländern
nicht verloren gehen. Dazu muss Deutschland denjenigen Beitrag leisten, der ihm
aus seiner Verantwortung für den Klimawandel erwächst. Daran fehlt es. Das
Bundesverfassungsgericht ist aufgerufen, dazu den Weg zu weisen."

Klimaschutz ist keine Frage der Machbarkeit, sondern eine des politischen
Willens. Genau daran scheint es der aktuellen Bundesregierung jedoch zu fehlen.
Das Deutschland laut Wissenschaft zustehende CO2-Budget für eine Einhaltung des
1,5 Grad-Limits von 3,465 Gigatonnen wäre mit den im Klimaschutzgesetz
beschlossenen Zielen bereits 2024, spätestens 2025 voll erschöpft. Die DUH führt
daher ergänzend zur Klage auf, welche wesentlichen CO2-Einsparmaßnahmen der
Gesetzgeber und die Bundesregierung längst hätten ergreifen können, um die
Klimakrise zu stoppen.

Zu den möglichen Maßnahmen für den Verkehrsbereich sagt Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der DUH: "Die Hauptverantwortung für das Nichterreichen
des Klimaziels 2020 durch eine Reduzierung des Klimagases CO2 um 40 Prozent
trägt der Verkehrssektor. Mit einem sofort und ohne Mehrkosten für die
Beteiligten umsetzbaren Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen sowie 80 km/h
außerorts können bis zu 5 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Mit einer
Verschärfung nach dem Vorbild der Niederlande von 100 km/h am Tag und 120 km/h
in der Nacht auf Autobahnen ist noch eine zusätzliche Einsparung von bis zu 3
Millionen Tonnen CO2 möglich. Die Beschränkung der steuerlichen Vorteile bei der
Dienstwagen-Nutzung auf sprit- bzw. stromarme Fahrzeuge und der sofortige Stopp
der Diesel- und Kerosin-Subventionierung bringen sogar Einsparungen für
Millionen Tonnen CO2 im zweistelligen Bereich. Auf Druck der Autokonzerne hat
die Bundesregierung im Klimapaket trotzdem eine finanzielle Förderung von
besonders klimaschädlichen Spritschluckern und Monster-SUVs mit durchschnittlich
mehreren zehntausend Euro pro Fahrzeug festgeschrieben. Diese absurde
Förderpolitik muss die Bundesregierung rückgängig machen. Für einen
klimaneutralen Verkehrssektor muss die Bundesregierung außerdem den Ausstieg aus
dem Verbrenner ab 2025 beschließen."

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, zu den Maßnahmen, die im
Energie- und Gebäudesektor ergriffen werden müssen: "Das Zeitalter des
Klimaschutzes muss gleichzeitig das Zeitalter der Erneuerbaren Energien werden.
Der faktische Ausbaustopp für die Windenergie, mit der die Bundesregierung diese
Zukunftsbranche in den Ruin treibt, muss korrigiert werden. Bis 2030 brauchen
wir einen massiven Ausbau aller Erneuerbaren Energien, inklusive Sonne, Wind und
dem Einstieg in die erneuerbare Wasserstoff-Wirtschaft. Um das Klimaziel 2020
noch zu erreichen, muss außerdem der Kohleausstieg drastisch beschleunigt
werden. So könnten durch eine Abschaltung der Kohlekraftwerke Jänschwalde und
Niederaußem in 2020 sofort 28 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Durch
einen vollständigen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 könnten gegenüber der
Empfehlung der Kohlekommission im Jahr 2030 insgesamt 68 Millionen Tonnen CO2
eingespart werden. Um den Gebäudebereich klimaneutral zu machen, brauchen wir
das sofortige Verbot für den Einbau neuer Ölheizungen und einen Einbaustopp
neuer Gasheizungen für 2025. Das klimaneutrale Gebäude der Zukunft ist
hocheffizient und wird ausschließlich durch Erneuerbare Energien geheizt und
gekühlt."

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, ergänzt: "Die
Bundesregierung ignoriert den Bereich Kreislaufwirtschaft in der
Klimaschutzgesetzgebung. Das ist fahrlässig, denn hier besteht ein enormes
Potential zur CO2-Reduktion. Handel und Abfüller müssen deshalb die Mehrwegquote
für Getränkeverpackungen bis spätestens Ende 2021 gemäß der gesetzlichen Vorgabe
von 70 Prozent umsetzen. Das gilt auch für die Einweg-Discounter wie Aldi und
Lidl, die sich Mehrweg bislang komplett verweigern. Allein bei den alkoholfreien
Getränken könnten mit dieser Maßnahme jährlich Emissionen von fast 1 Million
Tonnen CO2 eingespart werden. Ebenfalls völlig unverständlich ist, dass die
Bundesregierung die vorbildlichen europäischen Mindeststandards für die
Entsorgung FCKW-haltiger Kühlschränke nicht gesetzlich festlegen will. FCKW
belasten das Klima 10.000-mal stärker als CO2 und dürfen bei der Entsorgung auf
keinen Fall in die Atmosphäre gelangen. Folgt Deutschland dem Beispiel von
Ländern wie Frankreich, Irland oder den Niederlanden und legt verbindliche
Mindeststandards für die Entsorgung von Kühlgeräten fest, so ließen sich
jährlich umgerechnet bis zu 600.000 Tonnen CO2 einsparen."

Yi Yi Prue, Rechtsanwältin und Beschwerdeführerin aus Bangladesch zu ihrer
Motivation: "Ich gehöre dem indigenen Volk der Marma im Südosten Bangladeschs
an. 2017 gab es dort starke Monsunfälle, die schwere Erdrutsche verursachten.
Dadurch starben zahlreiche Menschen und viele verloren ihr Hab und Gut,
besonders ärmere indigene Personen. Als Rechtsanwältin wollte ich etwas tun, da
so etwas auch meiner Familie und mir passieren könnte. Seither habe ich mit
vielen vom Klimawandel Betroffenen aus Bangladesch, Nepal und Indien gesprochen,
die bereits heute ihr Zuhause aufgrund der Klimakrise verloren haben. Hier haben
die Konflikte um angemessene Lebensbedingungen bereits begonnen. Diesen Menschen
möchte ich eine Stimme geben und für sie ein Bewusstsein schaffen in
Deutschland, Europa und anderen Ländern, die für die Erderwärmung verantwortlich
sind."

Miriam Siebeck, Beschwerdeführerin aus Stuttgart sagt: "Ich habe Angst vor den
Konsequenzen, die die Klimakrise für mich und die Generationen nach mir hat.
Seit knapp einem Jahr organisiere ich die FridaysforFuture-Demos in Stuttgart
mit und habe so schon mehrere zehntausende Menschen bewegt. Trotzdem sehe ich
nur leere Versprechungen, aber keine wirkliche Veränderung in der Politik. Wenn
Millionen Menschen die Bundesregierung nicht zu einer zukunftsfähigen
Klimaschutzpolitik bewegen können, dann muss sie eben gerichtlich dazu
verpflichtet werden."

Jonathan Heckert, Beschwerdeführer, ebenfalls aus Stuttgart, ergänzt: "Die
Politik der Bundesregierung widerspricht ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht,
die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu erhalten. Ich möchte aber auch in
Zukunft ein sicheres Leben in Deutschland führen, ohne regelmäßige Hitzesommer
oder Jahrhundert-Hochwasser. Die dafür notwendigen Maßnahmen und Ziele fehlen im
Klimaschutzgesetz. Das muss sich ändern - deshalb klage ich fürs Klima."

Links:

- Zu den Verfassungsbeschwerden: http://l.duh.de/p200115

- Mehr Informationen und FAQ: www.duh.de/klimaklage

Pressekontakt:

Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
0171 2435458, klinger@geulen.com

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
01707686923, metz@duh.de

Yi Yi Prue, Beschwerdeführerin (Bangladesch)
prueyiyi102@gmail.com

Miriam Siebeck, Beschwerdeführerin
miriam.siebeck@posteo.de

Jonathan Heckert, Beschwerdeführer
jheckert83@gmail.com

Kontakt zu weiteren Beschwerdeführern aus der Verfassungsbeschwerde
der Kinder und jungen Erwachsenen erhalten Sie über die Pressestelle
der DUH.

DUH-Pressestelle:

Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de

www.duh.de , www.twitter.com/umwelthilfe ,
www.facebook.com/umwelthilfe , www.instagram.com/umwelthilfe

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/22521/4492468
OTS: Deutsche Umwelthilfe e.V.

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell


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