(Registrieren)

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Groko-Republik Anstrengung ist gefragt Carsten Heil

Geschrieben am 05-09-2014

Bielefeld (ots) - Langfristig sind große Koalitionen eine große
Gefahr für die Demokratie. Denn zu einer gesunden Demokratie gehört
zwingend eine starke Opposition, gehören kontroverse Diskussionen und
der anstrengende Prozess der Meinungsbildung. Deshalb ist es an der
Zeit, sich Sorgen um die politische Situation in Deutschland zu
machen. Nicht nur in ganz Deutschland regiert eine große Koalition
aus CDU und SPD alles nieder, ohne dabei wirklich Fortschritte zu
machen. Auch in den Ländern und auf regionaler sowie kommunaler Ebene
ist großes Konsensregieren angesagt. "Durchregieren" nannte das
Kanzlerin Merkel einst, wobei sie da den Bundesrat mit einbezog.
Natürlich sind die Ebenen zu unterscheiden. So sind der Regionalrat
in Detmold und auch die Landschaftsversammlung in Münster keine
gesetzgebenden Institutionen. In beiden Häusern der Region gibt es
deshalb vielleicht nicht die echte große Koalition, aber es deutet
sich die große Zusammenarbeit zwischen SPD und CDU mehr als an. Auch
im Rat der Stadt Bielefeld sprechen zumindest ernstzunehmende
Anzeichen dafür, dass es auf Rot-Schwarz hinausläuft. In Thüringen
schwingt längst die Groko das Zepter, nach der jüngsten Landtagswahl
in Sachsen deutet sich auch in Dresden die Bulldozer-Regierung an.
Selbst im eher linken Brandenburg könnte nach der Wahl vom kommenden
Sonntag eine große Koalition den Ministerpräsidenten wählen. Kurz-
und vielleicht auch mittelfristig mag das gutgehen, und der Wähler
scheint das ja auch zu wollen. "Die Wahlergebnisse sind eben so",
sagen Politiker schulterzuckend und schieben die Verantwortung für
die unselige Entwicklung damit auf das Volk. Wer sich behaglich im
Biedermeier eingerichtet hat und die große Koalition für den Normal-
und nicht den Ausnahmezustand hält, schaue nach Österreich. Keine
andere Form der Zusammenarbeit existierte in Wien nach dem Zweiten
Weltkrieg so lange wie die große Koalition. Folge: Rechte Parteien
(FPÖ) und schräge Selbstdarsteller erhalten mehr Zulauf, als sie es
verdienen. In Deutschland deuten sich ähnliche Prozesse zuerst mit
der Schill-Partei, den Piraten und nun mit der AfD an. Es hilft
nichts: Wenn die Verantwortlichen der staatstragenden großen Parteien
die politische Stabilität und ihre eigenen Parteien gesund erhalten
wollen, müssen sie sich der Mühen unterziehen, die es bedeutet, auch
kleine Koalitionen zu schmieden. Nach dem dramatischen
Bedeutungsverlust der FDP muss die CDU über Gemeinsamkeiten mit den
Grünen nachdenken. Grundsätzliche kulturelle Abneigungen dürfen nicht
weiter gepflegt werden. Die SPD muss sich auf die Linke einlassen,
sich zumindest endlich ernsthaft mit ihr auseinandersetzen. Und
umgekehrt. Das ist anstrengend, wird aber für alle Beteiligten zu
Entwicklung führen. Die gibt es nur mit Anstrengung. Das weiß jeder
Sportler. Dann werden die Wähler auch nicht mehr das Gefühl haben, es
sei egal, was sie wählen. Sie könnten das Ringen um Positionen in der
Sache honorieren. Die großen und wichtigen Weichenstellungen der
jüngsten deutschen Geschichte (Westintegration, Wiederbewaffnung,
Hinwendung zum Ostblock, Doppelbeschluss, Wiedervereinigung,
Atomausstieg/Energiewende, Agenda 2010) sind ausnahmslos in kleinen
Koalitionen vollzogen worden. Mit langem, zähem Ringen und
demokratischem Streit. Das hält Politik gesund.



Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

545535

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: NATO-Tagung Gipfel mit Fragezeichen Knut Pries, Newport Bielefeld (ots) - Eigentlich komme dieser Gipfel zu früh, hatte es vorher in der NATO-Zentrale geheißen. Die Lage im Krieg um die Ostukraine ändere sich Tag für Tag, Wladimir Putin schlage einen Haken nach dem anderen. Wie solle da eine grundsätzliche Neuausrichtung des Verhältnisses zu Moskau gelingen? Klar ist, dass zwischen dem Westen und seiner Militärabteilung NATO einerseits, dem großen Reich im Osten andererseits nichts mehr ist, wie es war. Oder wie es zu sein schien? Da fangen die Ungewissheiten schon an. In den Staaten mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Ebola: Mit zweierlei Maß gemessen Ravensburg (ots) - Mit welchem Maß wird eigentlich gemessen? Nichts gegen die "Ice Bucket Challenge" (Eiskübel-Herausforderung), bei der sich Menschen Kübel mit Eiswasser über den Kopf gießen und sich dabei filmen, um Spenden für die Nervenkrankheit ALS zu generieren. Häufig dient die Beteiligung zwar eher der Befriedigung narzisstischer Bedürfnisse, aber sei es drum: Jede Spende für die Behandlung oder Erforschung einer schlimmen Krankheit ist willkommen. Im Netz entsteht dank der enormen Beteiligung der Eindruck, die Welt stehe mehr...

  • Schwäbische Zeitung: NSU-Untersuchungsausschuss: Es geht um Glaubwürdigkeit Ravensburg (ots) - Ausgerechnet Thüringen. Das Land, in dem sich ein Verfassungsschutzchef schon mal nicht an seine Ernennung erinnern kann, weil es damals dunkel und er betrunken war. Das Land, in dem die Behörden kollektiv derartig unfassbar versagt haben, dass die Terrorzelle NSU jahrelang seelenruhig morden konnte. Ausgerechnet Thüringens Landtag hat mit seinem Untersuchungsausschuss den Baden-Württembergern gezeigt, wie parlamentarische Aufklärung besser geht. In Stuttgart schlägt man sich mit der Frage herum, ob eine NSU-Enquetekommission mehr...

  • Westfalenpost: Joachim Karpa zur Unterbringung von Flüchtlingen Hagen (ots) - Vor 25 Jahren hat Deutschland gejubelt. Die Mauer ist gefallen, der Anfang vom Ende der DDR. Heute wird wieder eine Mauer gebaut. An den Grenzen Europas, an dem die Menschen stranden, die auf der Flucht vor Gewalt, Krieg und Hunger sind. Verkehrte Welt. Auf sie warten Zäune, Gräben und Soldaten. Sie wollen das, was jeder von uns will: Sein Auskommen haben und in Ruhe und Frieden leben. Deshalb verlassen sie ihre Heimat. Keine leichter Schritt.

    Mit 200 000 Flüchtlingen rechnet Deutschland in diesem Jahr. 200 000 mehr...

  • Westfalenpost: Knut Pries zum Nato-Gipfel Hagen (ots) - Eigentlich komme dieser Gipfel zu früh, hatte es vorher in der Nato-Zentrale geheißen. Die Lage im Krieg um die Ost-Ukraine ändere sich Tag für Tag, Wladimir Putin schlage einen Haken nach dem anderen. Wie solle da eine grundsätzliche Neu-Ausrichtung des Verhältnisses zu Moskau gelingen? Möglich sei nicht mehr als eine Momentaufnahme. In der Tat steht am Ende des Gipfels ein großes Fragezeichen. Klar ist, dass zwischen dem Westen und seiner Militär-Abteilung Nato einerseits, dem großen Reich im Osten andererseits nichts mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht