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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu 15 Jahre Studienreform

Geschrieben am 01-08-2014

Bielefeld (ots) - »Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und
Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem
Bemühn.« Ginge Goethes Faust mit einem solchen Abschluss heute zur
Berufsberatung, er sähe entsetztes Kopfschütteln. Unmögliche
Fächerkombination! Einen Platz als Trainee im mittleren Management
würde er niemals ergattern. Vielleicht könnte er irgendwas mit Medien
machen - als unbezahlter Praktikant, versteht sich. Zum Glück sind
solche Studien-Tollheiten heute gar nicht mehr möglich. Davor steht
der Bachelor, der - ja nicht grundlos ersonnene - Gegenentwurf zum
Studens aeternus der Postachtundsechzigerjahre, als 24 Semester
Germanistik und Politikwissenschaften als völlig okay galten. Der
Bachelor in spe strebt nicht nach Erkenntnis, sondern nach
Leistungspunkten. Er hat einen starren Lehrplan, büffelt, wird
geprüft (gerne mehrfach), vergisst und wird ins nächste Modul
gestoßen - so, wie es schon die G8-Abiturienten gelernt haben. Das
Wort vom Bulimie-Lernen macht die Runde. NRW-Wissenschaftsministerin
Svenja Schulze (SPD) rät den Hochschulen lapidar zur »Entschlackung«.
Grundsätzlich ändern will sie nichts. Kann sie auch nicht. NRW ist
chronisch klamm. Die 700 Millionen Euro, die das Land befristet bis
2020 in zusätzliche Master-Studienplätze steckt, sind denn auch keine
bildungspolitische Meisterleistung, sondern pure Nothilfe. Seit
Jahren schon tragen die NRW-Hochschulen die rote Laterne in Sachen
Betreuungsquote. Auf eine Lehrkraft kamen bei der jüngsten Erhebung
27 Studenten - im Durchschnitt! Studiengebühren wären ein probates
Mittel, um die Hochschulen mit mehr Geld zu versorgen und
gleichzeitig die Zahl der
Ich-weiß-nicht-ob-das-wirklich-was-für-mich-ist-Studenten zu
verringern. Aber das wäre ja, so lautet der rot-grüne Ratschluss,
unsozial. Also hocken die Motivierten neben den Sinnsuchenden und
bangen um die Zulassung zum Master-Studium, das sie dereinst auf dem
Arbeitsmarkt als vollwertige Akademiker ausweisen wird - was beim
Bachelor längst noch nicht der Regelfall ist. 15 Jahre nach der
Bologna-Reform lautet die Frage: Alles Quatsch mit Soße? Nein, ein
Zurück kann es auch angesichts des angestrebten europäischen
Gleichklangs nicht geben. Aber die deutschen Universitäten und
namentlich die Fakultäten müssen sich endlich mit ihrem Lehr- und
Prüfungskanon den neuen Gegebenheiten anpassen. Selbst die
Wirtschaft, der ja Schul- und Hochschulausbildung gar nicht schnell
genug gehen konnte, gerät ins Grübeln. Sie wollte in kürzerer Zeit
fähigen Fach- und Führungskräftenachwuchs herangebildet sehen und
bekommt nun immer öfter reine Prüfungsmeister geliefert. So war das
auch wieder nicht gewollt. Doch es ist wie mit Goethes
Zauberlehrling: Die Geister, die wir riefen, werden wir nicht wieder
los. »In die Ecke, Besen! Besen!« Es ist niemand in Sicht, dem dieser
Ordnungsruf zuzutrauen wäre.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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