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Mittelbayerische Zeitung: Dobrindts Maut-Trick / Der Minister liefert ein Konzept für die Straßengebühr. Doch es hat zahlreiche Tücken im Detail. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 07-07-2014

Regensburg (ots) - Im Nachbarland Österreich, wo seit Jahren ganz
selbstverständlich für die Nutzung der Autobahnen "Pickerl" gekauft
und an die Windschutzscheibe geklebt werden müssen, grollt man
bereits. Auch die Niederlande, die bislang keine Maut auf ihren
Straßen verlangen, aber sehr wohl und sehr gern deutsche Pisten auf
dem Weg in den Urlaub nutzen, sind vergrätzt. Das übrige Europa ist
überzogen von diversen Maut-Regelungen, kennt Vignetten oder verlangt
für bestimmte Strecken Nutzungsgebühren. Deutschland ist nun drauf
und dran, ebenfalls in die europäische Maut-Union einzusteigen. Dass
die CSU seit Jahren auch hierzulande für eine Pkw-Maut die Trommel
rührt, hat etwas mit grenzüberschreitender Gerechtigkeit, man könnte
auch sagen mit dem Ärger über die Vignetten-Abzocke in den
Nachbarländern zu tun. Dieser Frust ist teilweise nachvollziehbar.
Denn in Deutschland gehen die Uhren anders. Hier gilt freie Fahrt für
freie Bürger auf staatlich bezahlten und betriebenen Autobahnen und
Bundesstraßen. Eigentlich. Die vergangenen Jahre haben allerdings an
Straßen, Brücken und Tunneln kräftig "genagt". Ohne dass, wie es
notwendig gewesen wäre, repariert, saniert und modernisiert worden
wäre. Und fast zwei Jahrzehnte lang stand der Aufbau Ost vor dem
Ausbau West. Auch dieses politisch gewollte Ungleichgewicht rächt
sich nun. Trotz vieler Milliarden Euro, die jedes Jahr in die
Mineralöl- oder auch die Kfz-Steuer fließen, ist der Investitionstopf
des Bundesverkehrsministers seit Jahren nicht ausreichend gefüllt.
Auch Dobrindts gestern vorgestellte Pkw-Maut ändert daran grundlegend
nichts. Der Minister hat zwar endlich ein Konzept für eine
nutzerfinanzierte Maut, im Bürokratendeutsch Infrastrukturabgabe,
"geliefert". Doch dies hat zahlreiche Tücken im Detail,
europarechtliche Untiefen - und vor allem es spült nicht genug Geld
in die Kasse. Die Länder stehen zudem bereits auf der Matte, um etwas
vom neuen Maut-Kuchen abzubekommen. Rund 600 Millionen Euro könnten
es schon sein, die die Maut von ausländischen Autofahrern dem
deutschen Fiskus bringen werde, rechnet der CSU-Minister die Zahlen
schön. Eine solcher Betrag klingt ganz gut. Doch vergegenwärtigt man
sich den jährlichen Mehrbedarf, der bei etwa sieben Milliarden Euro
liegt, wie Verkehrsexperten und -Minister schätzen, dann relativiert
sich der erwartete Geldregen aus der Pkw-Maut rasch. Um die
Verkehrsinvestitionen wirklich auf die notwendige Höhe zu schrauben,
brauchte es die jetzt mit viel Tamtam inszenierte "Ausländer-Maut"
nicht. Denn sie bedient eher das Gefühl, nun kassieren wir auch mal
bei den anderen ab, so wie die uns abkassieren, als dass sie an der
Malaise etwas grundsätzlich ändern würde. Vielmehr brauchte eine in
die Zukunft gerichtete Verkehrspolitik wirklich neue Prioritäten. Die
Milliardeneinnahmen aus dem Verkehrsbereich dürften nicht mehr im
allgemeinen Haushalt "versickern". Hinzu kommen zahlreiche
europarechtliche Unwägbarkeiten, die Dobrindt mit seiner Maut erst
noch umschiffen muss. Formal bittet er zwar sämtliche Autofahrer auf
deutschen Straßen und Autobahnen für die Infrastrukturabgabe zur
Kasse. Doch nur die einheimischen Halter bekommen diese Maut über die
deutsche Kfz-Steuer zurück. Dobrindt greift zu einem Trick, der arg
nach Diskriminierung riecht. Zumindest hat die EU-Kommission bereits
ein kritisches Auge auf die deutschen Pläne geworfen. Brüssel oder
unzufriedene Nachbarländer könnten das schöne CSU-Mautkonzept noch
zunichte machen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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