(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Misstrauensvotum gegen den Senat - Leitartikel von Hajo Schumacher

Geschrieben am 16-05-2014

Berlin (ots) - Berlin ist von einem Virus befallen, und es breitet
sich immer weiter aus. Wer vom BER-Virus angesteckt ist, der
misstraut jeglichen Zahlenwerken von Politikern, der lacht über
Versprechen und Prognosen. Die jüngsten Umfragen zum Tempelhofer Feld
beweisen vor allem eines: der Status quo, das freie Feld erscheint
der Mehrheit der Berliner derzeit deutlich sicherer als Bauprojekte
mit höchst ungewissem Ausgang.

Wie heftig das BER-Virus wütet, ist exemplarisch an der geplanten
Zentralbibliothek abzulesen. So notwendig diese Investition auch sein
mag, so skeptisch sind die Menschen, was Bauzeit, Kosten und Größe
des Bildungsklotzes angeht. Sobald ein Politiker die geplanten Kosten
von 270 Millionen Euro erwähnt, ist ihm bitteres Gelächter sicher.
Wer soll das denn glauben? Wir können doch froh sein, wenn wir die
Milliarde nicht knacken, nachdem sich die Bauzeit verdoppelt hat. So
hat die völlig entglittene BER-Baustelle nicht nur Krater in die
Kassen gerissen, sondern auch ins Vertrauen der Bürger.

Die Berliner glauben ihren Anführern nicht mehr, dass die
irgendein Projekt hinkriegen. Klugerweise votieren die Wähler dann
für das geringste Übel - ein Weiter so. Dann werden zumindest
Kollateralschäden minimiert. Ähnliches gilt für den Masterplan des
Senats für das Tempelhofer Feld: Randbebauung, sagen die Leute, das
stimmt doch gar nicht, erst fangen sie am Rand an und in 20, 30
Jahren ist dann nichts mehr übrig. Und am Ende bauen da doch wieder
Spekulanten Lofts für teuer Geld.

Und auch dieses Misstrauen ist ja erklärbar. Anstatt einen tumben
Wohnklotz ausgerechnet an die Oderstraße zu planen, wo die meisten
Leute sich am Wochenende tummeln, wo die Gärten liegen und das Feld
einem Park am nächsten kommt, wäre es sicher schlauer gewesen, ein
soziales, ökologisches, autofreies Wohnen zu planen, dann hätte man
sich die ganzen autofreien Experimente am Helmholtzplatz oder jetzt
in Schöneberg sparen können. Immer wieder vermuten die Berliner eine
versteckte Agenda, eine verborgene Absicht oder einfach Unfähigkeit.
Das ist nicht fair, aber erklärbar.

Insofern ist das Nein der Bürger zur Bebauung nicht nur mit
Politikverdrossenheit und Lerchen-Romantik zu erklären, sondern mit
einer sehr gesunden und nachvollziehbaren Skepsis gegen die vielen
Projektsteuerungskompetenzen dieses Senats. Es ist ein generelles
Misstrauensvotum. Die Mehrheit sagt: Lieber gar nichts machen als was
Falsches. Ebendiese Stimmung gilt inzwischen auch für Wowereit.
Lieber irgendeinen Regierenden als diesen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

527991

weitere Artikel:
  • WAZ: Indien wählt sanften  Faschismus - Kommentar von Willi Germund Essen (ots) - Die größte Demokratie der Welt entschied sich für den "sanften Faschismus", wie das Massenblatt "Times of India" die zukünftige Regierung des Hindunationalisten Narendra Modi nennt. Die Mammutnation, die als Vorbild für das Zusammenleben verschiedener Religionen und Völker galt, wirft die Tradition der Toleranz über Bord. Narendra Modi erscheint den Indern nach Jahren des Schlendrians mehr als einzige verbliebene Alternative denn als Heilsbringer. Sie wissen, dass sie ein Risiko eingegangen sind, als sie bürgerliche mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Google Halle (ots) - Jetzt erleben wir ein böses Erwachen. Plötzlich sind alle gegen Google. Aber das Problem ist, dass die Reparatur-Versuche extrem schwierig werden. Die Macht der großen US-Internetkonzerne lässt sich nur noch mit rabiaten Schritten - letztlich mit der Zerschlagung Googles - eindämmen. Dabei müssen sich die europäischen Staaten schnell einig werden. Doch noch mehr ist nötig: Eine Industriepolitik, die den technologischen Wandel nutzt, um wettbewerbsfähige europäischer Technologien fürs Internet 3.0 aufzubauen. mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Steuersündern und Selbstanzeigen Halle (ots) - Überdeutlich wird, dass sich die Steuerhinterzieher dem massiven Druck beugen und von Einsicht keine Rede sein kann. Selbstverständlich spielt eine Rolle, dass Ex-Bayern-Manager Uli Hoeneß bald den Gang ins Gefängnis antritt. Es wird, zweitens, schwerer, akzeptable Verstecke im Ausland zu finden. Selbst die Schweiz schränkt ihr Bankgeheimnis ein. In Deutschland wird die Selbstanzeige vom nächsten Jahr an unattraktiver. Vor allem bei großen Summen wird es teurer. Die neue Ehrlichkeit ist ein gutes Geschäft. Für den mehr...

  • Aachener Zeitung: Da ist ja was los / In Europa wird's spannend. In acht Tagen wird gewählt / Kommentar von Peter Pappert Aachen (ots) - In acht Tagen wird das Europaparlament gewählt. Da bleibt genug Zeit, sich über Parteien und Programme, Kandidaten und Kompetenzen zu informieren. Aus dem Recht, zu wählen, ergibt sich die Pflicht zur Information. Wem das zu lästig ist, der zieht daraus womöglich die Konsequenz, dann brauche er auch gar nicht zur Wahl zu gehen. Das ist ganz einfach. Nach Aussagen der Demoskopen wollen viele Deutsche nichts wissen von der Europawahl; die EU interessiere sie nicht, das Schicksal der Ukraine sei ihnen einerlei, und die mehr...

  • NRZ: Wachstum statt Freiheit - ein Kommentar von WILLY GERMUND Essen (ots) - Die größte Demokratie der Welt entschied sich für den "sanften Faschismus", wie das Massenblatt "Times of India" die zukünftige Regierung des Hindunationalisten Narendra Modi schon vor Wochen nannte. Die Mammutnation, die mit ihrer Vielfalt an Kulturen, Sprachen und einem unvergleichlich chaotischen Lebensstil als Vorbild für das funktionierende Zusammenleben verschiedener Religionen und Völker galt, wirft die Tradition der Toleranz über Bord. Indiens neuer Premierminister ist kein Demokrat. Er verlangt Unterwerfung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht