Landeszeitung Lüneburg: Etliche Jahre "auf Verschleiß gefahren" / Prof. Dr. Hartmut Johannes Beckedahl zum Schlagloch-Soli: "Brauchen verkürztes Planungsverfahren"
Geschrieben am 01-05-2014 |   
 
 Lüneburg (ots) - Das deutsche Straßennetz gleicht mehr und mehr  
einer Mondlandschaft. Deshalb will der Bund bis 2017 rund fünf  
Milliarden Euro zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur investieren.  
Das reicht dem Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten jedoch  
nicht. Der fordert, dass jeder Autofahrer einen Schlagloch-Soli von  
100 Euro jährlich zahlt. Den Soli hält Prof. Dr. Hartmut Johannes  
Beckedahl, Straßenbauexperte von der Bergischen Universität  
Wuppertal, für keine gute Lösung. Dennoch macht sich der Politiker  
mit seinem Vorstoß bei Beckedahl nicht gerade unbeliebt. 
 
   Trotz Steuereinnahmen auf Rekordniveau fordert der  
Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) einen  
Schlagloch-Soli für marode Deutsche Straßen - und macht sich damit  
bei vielen Autofahrern unbeliebt. Auch bei Ihnen? 
 
   Prof. Dr. Hartmut Johannes Beckedahl: Die Forderung ist ja nur ein 
Vorschlag, der in einer ganzen Reihe von Vorschlägen den  letzten  
Teil der Kette darstellt. Wenn alles andere nicht helfen würde, hat  
er vorgeschlagen, den Soli zu erheben. Unbeliebt macht er sich bei  
mir gar nicht, weil dadurch das Thema der maroden Straßen und Brücken 
sehr weit in den Vordergrund gerückt wird. 
 
   Noch einen Hunderter mehr aus dem Portemonnaie der Deutschen.  
Zahlen sie denn nicht schon genug Steuern? 
 
   Beckedahl: Das ist sicherlich richtig, und ich glaube auch nicht,  
dass der Soli ein wirksames Mittel wäre. Vor allem nach den  
Erfahrungen, die wir mit der Lkw-Maut gemacht haben. Dann gibt es  
einen Topf für Straßensanierungen. Und dann würde der Finanzminister  
dem Verkehrsminister die Mittel kürzen, und wir wären auf dem  
gleichen Niveau wie jetzt oder vielleicht etwas höher. Aber das würde 
immer noch nicht ausreichen, deswegen bin ich auch nicht davon  
überzeugt, dass das eine gute Lösung wäre. 
 
   Was wäre denn Ihrer Meinung nach die richtige Lösung? 
 
   Beckedahl: Die richtige Lösung wäre, dass man das Thema  
tatsächlich mal politisch auf die Tagesordnung bringt, und eine  
Zielvorstellung formuliert, die dazu führt, dass man einen größeren  
Verkehrshaushalt zur Verfügung hat. Dass nicht nur beseitigt wird,  
was bisher festgestellt worden ist. Sondern dass alte Brücken, bei  
denen nichts mehr hilft, neu gebaut werden. Die Baumaßnahmen dauern  
jedoch sehr lange, weil wir das Planungsrecht noch dazwischen haben.  
Das heißt: heute planen, in zehn Jahren die Brücke bauen. Bis dahin  
sind die Brücken und Fahrbahnen vielleicht gar nicht mehr befahrbar,  
und es müssen große Umwege gefahren werden. 
 
   Sie haben es gerade schon einmal grob angerissen: Steht  
Deutschlands Verkehrsinfrastruktur - wie Herr Albig es ausdrückt -  
tatsächlich kurz vor dem Infarkt? 
 
   Beckedahl: Ich denke, ja. Das ist gar nicht so weit hergeholt, vor 
allem, wenn man bedenkt, dass viele Brücken heute gar nicht mehr von  
den Schwersttransportern genutzt werden können und diese dann extrem  
weite Wege fahren müssen, um ans Ziel zu kommen. Das kann auf Dauer  
der Wirtschaft nicht guttun, weil die Verkehrswege die Lebensadern  
für eine funktionierende Wirtschaft sind. 
 
   Steht für Deutschland damit auch imagemäßig etwas auf dem Spiel? 
 
   Beckedahl: Nicht nur image-, sondern auch konjunkturmäßig. 
 
   Was ist denn bisher schief gelaufen, dass es so weit kommen  
konnte? 
 
   Beckedahl: Wir haben in den vergangenen 15 bis 20 Jahren einen  
enormen Zuwachs an Verkehr gehabt. Und wir haben in den vergangenen  
15 Jahren viel Geld in den Topf der neuen Länder gesteckt. Dort sind  
die Straßen auch mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau - vielfach  
auf einem höheren Niveau als in den alten Bundesländern. Da ist zwar  
auch eine Menge geschehen, aber man hat nicht genügend Geld zur  
Verfügung gestellt, um die älterwerdende Infrastruktur im Norden,  
Süden und Westen auf einem ebenfalls sehr hohen Niveau zu halten. Das 
heißt, die Verkehrsinfrastruktur wird dort schon seit etlichen Jahren 
auf Verschleiß gefahren und es gibt einfach zu wenig Geld, um die  
Verkehrsinfrastruktur auf einem sehr hohen Niveau zu halten. 
 
   Wie hoch schätzen Sie den Sanierungsbedarf an deutschen Straßen?  
Können Sie das in Zahlen ausdrücken? 
 
   Beckedahl: Da gibt es schon genug Schätzungen, an denen ich mich  
nicht weiter beteiligen möchte. Das Problem wird sein: Je länger wir  
warten, desto schwieriger wird es sein, den angestauten  
Sanierungsbedarf überhaupt noch zu decken. 
 
   Welcher Straßentyp ist denn in Deutschland am meisten von  
Schlaglöchern betroffen? 
 
   Beckedahl: Ich schätze, die schlimmsten Straßen sind in Städten  
und Gemeinden zu finden. Nicht weniger betroffen sind natürlich die  
schwer beanspruchten Autobahnbrücken. 
 
   Trifft die Autofahrer da auch eine gewisse Mitschuld an den  
Schlaglöchern? 
 
   Beckedahl: Der Autofahrer ist vielleicht indirekt mit schuld. Aber 
es ist von der Politik immer stark darauf gedrängt worden, dass sich  
die Mobilität erhöhen soll und sie verbessert werden soll. Erhöhte  
Mobilität heißt, dass man von A nach B fährt, viel mehr als vorher.  
Das heißt, die Politik hat von Anfang an gewusst und auch gefordert,  
dass mehr gefahren werden soll. Und dann kann man dem Autofahrer  
letztendlich nicht das zum Vorwurf machen, dass sie das tun, was die  
Politik gefordert hat. Das ist also ein zweischneidiges Schwert. Denn 
in einem Fall bin ich Fahrer, da habe ich natürlich eine gewisse  
Schuld, aber wenn ich dazu aufgefordert werde, dann mache ich auch  
das, was von mir erwartet wird. Vor allem sind es ja nicht die  
Pkw-Fahrer, die die Straßen kaputt machen. Die sind zwar in der  
Mehrzahl, was die Fahrzeuge betrifft. Dementsprechend haben wir da  
nur ein Problem, was die Verstopfung der Straßen betrifft. Die Lkw  
fahren die Straßen kaputt. 
 
   Genügt Geld allein dann überhaupt noch, um das Problem zu lösen? 
 
   Beckedahl: Nein, Geld allein nützt zwar eine ganze Menge, aber ich 
hatte es ja schon mal angedeutet mit dem Planungsverfahren: Als die  
neuen Bundesländer saniert werden mussten, da hat man ein verkürztes  
Planungsrecht kreiert. Und ich denke genau das brauchen wir demnächst 
in den alten Bundesländern auch. Eine weitere Problemlösung stellen  
innovative Baustoffe dar, die mit etwas höherer Anfangsinvestition  
eine erheblich längere Nutzungsdauer ermöglichen. 
 
   Das Interview führte Thomas Lieske 
 
 
 
Pressekontakt: 
Landeszeitung Lüneburg 
Werner Kolbe 
Telefon: +49 (04131) 740-282 
werner.kolbe@landeszeitung.de
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