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HAMBURGER ABENDBLATT: Pressespiegel Hamburger Abendblatt zum Thema Agenda 2020/CDU

Geschrieben am 28-04-2014

Hamburg (ots) - Das Rebelliönchen

Ein Kommentar von Matthias Iken (Hamburger Abendblatt)

Die Begriffspaare Rebellion und Union passen ungefähr so gut
zusammen wie HSV und Zauberfußball oder Bus und Beschleunigung. So
dürfte auch das aktuelle Reformpapier des Parteinachwuchses mit
seinen zehn Thesen für eine "Agenda 2020" in der CDU als Sturm im
Wasserglas enden. Vermutlich wird die Parteispitze die Gedanken des
Nachwuchses mit dem üblichen Dreiklang zur Kenntnis nehmen - gelesen,
gelacht, gelocht. Denn die Verfasser der Gruppe "CDU 2017" zählen
nicht zu der ersten Riege in der Union: Der ewige JUler Philipp
Mißfelder ist genauso dabei wie Talkshow-Dauergast Jens Spahn oder
die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Katharina Wolff.

Und doch macht die Parteispitze einen schweren Fehler, wenn sie
nur mit Spott und Ablehnung auf das Thesenpapier reagiert. Denn die
zehn Punkte sind nicht nur klug und richtig, sie waren einmal
Allgemeingut in der Union eines Ludwig Erhard.

Es zeigt das doppelte Dilemma der Union, dass es im Jahre 2014
eines solchen Papieres bedarf - und dass es nicht aus der Mitte der
Fraktion kommt, sondern von den Rändern. Es beweist, wie sehr sich
die CDU/CSU unter Angela Merkel, Ursula von der Leyen oder Horst
Seehofer von der programmatischen Tradition, dem bürgerlichen Erbe
und ihrer wirtschaftlichen Kompetenz vergangener Jahre entfernt.
Programmatisch steht die runderneute und kieselrund geschliffene CDU
dort, wo noch vor zehn Jahren nur Linkspartei und Gewerkschaften
gestanden haben: In einer Gedankenwelt, die das heute Gewünschte zur
Wirklichkeit erklärt und das Morgen ignoriert.

Anders ist es nicht zu erklären, wie eine Große Koalition auf der
einen Seite milliardenschwere Zusatzleistungen für Rentner
beschließt, Beitragssenkungen verhindert und für zentrale Aufgaben
wie etwa den Erhalt der Straßen neue Abgaben wie eine
Schlaglochsteuer ausheckt. Trotz Einnahmerekorden bei der Steuer und
bester Beschäftigungslage schafft ein christdemokratischer
Finanzminister nicht mehr als eine schwarze Null. Wann, wenn nicht
jetzt, soll der Staat eigentlich Überschüsse erzielen und Altschulden
tilgen?

Der Mut, der einstmals Gerhard Schröder bei seiner Agenda 2010
auszeichnete, ist einem großkoalitionären Kleinmut gewichen, der die
Wähler in biedermeierlicher Behaglichkeit wiegt. Aus dieser
Behaglichkeit haben die CDU-Rebellen nun ihre Parteiführung gerissen.
Allerdings stellt sich die Frage, ob wirklich die SPD die
Alleinschuldige an der Abwicklung der Agenda 2010 ist, wie es in den
Thesen heißt. Auch wenn die Union in der Alltagspolitik mitunter eher
wie der Juniorpartner von SPD-Größen wie Sigmar Gabriel und Andrea
Nahles aussieht - den Ausstieg aus der Reformpolitik haben CDU und
CSU nicht nur abgenickt, sie haben ihn gewollt und forciert.

Die Unions-Rebellen gehen jetzt in die Opposition gegen die Rente
mit 63 und eine überbordende Sozialpolitik, sie kämpfen für
Freihandel, mehr persönliche Freiheit und eine offenere
Zuwanderungspolitik. "Gute Wirtschaftspolitik ist die Voraussetzung
für gute Sozialpolitik. Hier liegt unser Profil als Wirtschafts- und
Wertepartei", heißt es in der Agenda 2020. Das ist zweifellos
richtig. Allein, man muss bezweifeln, ob sich weite Teile der
Merkel-Union als Wirtschafts- und Wertepartei verstehen - oder eher
als Wohlfühlverein. Die Union, die unter Angela Merkel 2005 wie eine
Radikal-FDP in den Wahlkampf gezogen war, hat sich 2014 als
strukturkonservativer Sozialverband im Kanzleramt eingerichtet. Es
ist kein Zufall, dass reformorientierte Politiker wie Spahn oder
Mißfelder bei der Vergabe der Kabinettsposten im Winter leer
ausgingen. Es ist aber auch kein Zufall, dass bei beiden erst nach
der Vergabe der Jobs im politischen Berlin ihr Rebellentum erwacht
ist.



Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de


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