(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Asylpolitik

Geschrieben am 11-04-2014

Regensburg (ots) - von Hanna Vauchelle

Während man sich in Europa über das schöne Frühlingswetter freut,
bringt es illegalen Bootsflüchtlingen häufig den Tod: Denn kaum legen
sich Winter- und Gewitterstürme, blüht das Geschäft der
Menschenschleuser. Auf seeuntüchtigen Nussschalen pferchen sie
Auswanderer ein und schicken sie zu Tausenden auf die gefährliche
Fahrt übers Mittelmeer. Geht die Reise nicht direkt in den Tod, endet
sie in den Abschiebe-Lagern an Italiens und Griechenlands Küsten.
Erst gestern griff die italienische Marine erneut 900 Flüchtlinge
auf. Weitere 600 000 sollen an libyschen Stränden auf ihre Chance
warten. Europa wird sich auf alarmierende Nachrichten gefasst machen
müssen. Die letzte Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa ist erst
wenige Monate her. Damals übertrafen sich Europas Politiker
gegenseitig an Betroffenheit. Seitdem ist tatsächlich etwas passiert:
Sowohl die Grenzschützer der EU-Agentur Frontex als auch die
nationalen Küstenwachen haben nun den expliziten Auftrag,
Schiffbrüchigen zu Hilfe zu kommen. Das war nicht immer so.
Italienische Fischer machten sich bis zuletzt sogar strafbar, wenn
sie Flüchtlinge in Seenot retteten. Insofern hat die EU hier wirklich
Fortschritte gemacht. Auch das Hightech-Überwachungssystem Eurosur
wird seinen Beitrag dazu leisten, Schiffbrüchige schneller
aufzuspüren. Genauso wichtig ist es jedoch, den Menschenhändlern das
Handwerk zu legen. Diese nutzen Europas neueste Order an Frontex
--nämlich den Schiffbrüchigen zu helfen - längst für ihre Zwecke aus.
Schrottboote werden mit noch mehr Menschen beladen, die Havarie wird
zum Kalkül. Und so füllen sich die Auffanglager an Europas Küsten
wieder. Die Mitgliedsstaaten sind gut beraten, wenn sie Italien dabei
zu Hilfe kommen. Gerade jetzt, wo die Europa-Wahl vor der Tür steht,
muss die Flüchtlingsproblematik mit Sachverstand diskutiert werden.
Die etablierten Parteien dürfen das Thema nicht den Rechtspopulisten
überlassen, die mit billiger Panikmache vor illegaler Einwanderung
auf Stimmenfang gehen. In der Debatte muss es auch darum gehen, die
Idee einer koordinierten Einwanderung nach Europa zu entwerfen.
Natürlich stimmt es, dass eine Besserung der Zustände in den
jeweiligen Heimatländern das Problem von selbst lösen würde. Weniger
Flüchtlinge würden die gefährliche Reise auf sich nehmen, wenn sie
ein wirtschaftliches Auskommen in ihrer Heimat hätten. Doch man muss
den Tatsachen ins Auge sehen: Solange in Libyen, Syrien, Mali oder
der Zentralafrikanischen Republik so gut wie keine staatliche Ordnung
herrscht, findet die europäische Entwicklungspolitik unter
erschwerten Bedingungen statt. Millionenhilfen drohen, nutzlos zu
verpuffen. Ebensowenig hilfreich ist die Forderung nach einer
Komplettöffnung der EU-Außengrenzen. Es gibt kein Land auf der Welt,
das dies tut. Abgesehen von politischen Flüchtlingen, die in der EU
sowieso ein Recht auf Aufnahme haben, sollten sich die
Mitgliedsstaaten deshalb zu echten Solidarmaßnahmen bekennen. Um die
Mittelmeer-Anrainer zu entlasten braucht es eine gerechtere
Lastenverteilung bei der Aufnahme und Betreuung der Asylsuchenden.
Die Dublin-Verordnung steht diesem Ansinnen im Weg. Darüber hinaus
braucht Europa einen Plan für eine koordinierte, legale Einwanderung
aus Drittstaaten. Quoten für einzelne Länder wie es sie
beispielsweise in den USA gibt, müssten auch in der EU eingeführt
werden. Sowohl Martin Schulz als auch Jean-Claude Juncker, die sich
beide um den Kommissionsvorsitz bewerben, wollen sich für einen
solchen Plan stark machen. Bleibt zu hoffen, dass diese Ansage mehr
ist als reines Wahlkampf-Getöse. Europa als reichster Kontinent muss
seiner Verantwortung gerecht werden.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

522348

weitere Artikel:
  • Neue OZ: Gespräche mit Heinz Smital, Greenpeace-Atomexperte und Caren Ley, Atomexpertin der Linken-Bundestagsfraktion Osnabrück (ots) - Greenpeace-Atomexperte: Kernenergie in Japan immer noch nicht sicher Nach Ausstieg aus Atomausstieg - Linke: Gabriel als Energiewende-Botschafter schicken Osnabrück.- Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital schließt aus, dass die Kernenergie in Japan drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima sicherer geworden ist. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er: "Aufgrund der ständigen Erdbebengefahr ist es nicht möglich, ein Atomkraftwerk in Japan sicher zu betreiben." Am Freitag war bekannt geworden, mehr...

  • neues deutschland: Russischer »Aufmarsch« vor der Ukraine: Kulissen¶ Berlin (ots) - Mit Meldungen über fremde Aufmarschpläne war man schon immer kreativ. Als die eigene Raketenstationierung im November 1983 in die Entscheidung ging, mahnte ein Verteidigungsminister Wörner, »die Sowjets« brächten »jede Woche eineinhalb Raketen in Stellung«. Die Vierteljahresberichte der NATO in den Monaten März, Juni und September hatten indes stets die gleiche Ist-Zahl 351 wiederholt. Rechnerisch passte da gar nichts. Nirgendwo wird soviel getrickst, getäuscht und gelogen wie in den militärischen Kulissen. Nun hören mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Die Märkische Oderzeitung berichtet in ihrer morgigen Ausgabe über einen Übergriff in einer Kindertagesstätte in Eberswalde (Barnim). Frankfurt/Oder (ots) - Agenturmeldung der Märkischen Oderzeitung Frankfurt (Oder) In einer Kindertagesstätte in Eberswalde (Barnim) ist ein Mädchen von einem Praktikanten misshandelt worden. Das berichtet die Märkische Oderzeitung in ihrer morgigen Ausgabe (Sonnabend). Der 15-jährige Junge klebte dem Kind einen Tesastreifen über den Mund, weil es nicht schlafen wollte. Die Polizei untersucht auch, ob das Mädchen gefesselt wurde. Die Eltern des Opfers erstatteten Strafanzeige. Der Fall hat sich bereits am 24. März ereignet, ist mehr...

  • DER STANDARD - Kommentar: "Bildungsblinde Schraubenfabrik" von Lisa Nimmervoll Wer ins Herz der Schule, den Unterricht, schneidet, begeht staatlichen Zukunftsraub (Ausgabe vom 12/4/2014) Wien (ots) - Österreich muss sparen. Für die Hypo. Wegen der Hypo. Und überhaupt. Für die heilige Zahl, um die die Regierung im Namen der Zukunft - und doch zukunftsvergessen - kreist: die Null. Ein (strukturelles) Nulldefizit wär? doch was zum Herzeigen! Meint Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP). Also Rotstift her und Budgets der Ministerien gehörig zusammenstreichen. Da beginnt das wahre Drama. Die Beliebigkeit, mit der mehr...

  • Aachener Zeitung: Bei allem Verständnis / Putins Vorgehen lässt sich nicht verteidigen / Kommentar von Peter Pappert Aachen (ots) - Das Verständnis, auf das der russische Scheindemokrat Putin in Deutschland stößt, nimmt manchmal irritierende Ausmaße an. Das geht bis zu leichtsinnigen Bemerkungen wie jener, die Krim gehöre doch eigentlich zu Russland . . . Das müsse man doch verstehen . . . Diese völkerrechtlich ignorante Auffassung verbreitet sich in Zeiten anhaltenden Ärgers über den großen Freund im Westen. Doch so einfältig kann niemand die Lage analysieren, dass wegen inakzeptabler Auswüchse der amerikanischen Geheimdienst- und Anti-Terror-Politik mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht