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Mittelbayerische Zeitung: Doppelpass im Abseits / Der Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft wurde nur vertagt. Eine glaubhafte Lösung muss her. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 14-03-2014

Regensburg (ots) - Wer mal so richtig auf die Pauke hauen will,
der sollte zumindest nicht den Schlegel aus der Hand fallen lassen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte am
Freitag eigentlich im Bundesrat zu einer Generalabrechnung mit der
Großkoalition in Berlin ansetzen. Die angesetzte Debatte über die
doppelte Staatsbürgerschaft in der Länderkammer sollte die geeignete
Bühne für die Brandrede des Grünen sein. Doch Pustekuchen. Erstens
kommt es anders und zweitens als man denkt. Der erkrankte grüne
Landesvater kam gar nicht erst zur Sitzung. Und die anderen hatten
auch keine Lust zum Streiten. Der Antrag von drei rot-grün regierten
Ländern wurde dann auch rasch sang- und klanglos in den Tiefen der
Ausschüsse des Bundesrates versenkt. Damit wurde das strittige Thema
um die doppelte Staatsbürgerschaft für hier geborene Kinder
ausländischer Eltern, genauer von Nicht-EU-Bürgern, allerdings nur
vertagt, nicht etwa beigelegt. Fußballerisch gesprochen wurde der
Doppelpass erst einmal ins Abseits geschlagen. Das soll vorkommen, in
der Politik wie auf dem grünen Rasen. Vor allem dann, wenn ein
Mitspieler zu rasch vorprescht. Kenner der Abseitsregel wissen
Bescheid. Im Kern hat das politische Doppelpass-Problem zwei Seiten.
Die eine berührt das grundsätzliche Verhältnis von Bund und Ländern.
Bindet etwa ein Koalitionsvertrag im Bund auch die an einer
Landesregierung beteiligte Partei? Anders gefragt, darf die ins
Berliner Koalitionsgeschirr eingebundene SPD in Baden-Württemberg,
Niedersachsen oder Hamburg gegen die schwarz-rote Großkoalition
aufbegehren oder nicht? Im Fall der im weiß-blauen Freistaat allein
regierenden Christsozialen würde eine solche Frage übrigens als
unbotmäßig vom Tisch gefegt. Horst Seehofer schert sich bisweilen
herzlich wenig um schwarz-rote Berliner Beschlüsse und
Befindlichkeiten. Siehe seinen Alleingang bei einem Moratorium für
Stromtrassen, denen er vor einem Dreivierteljahr noch zugestimmt
hatte. Es gilt die Maxime, was für Bayern, im Zweifel für die CSU,
gut ist, wird gemacht. Sollen die in Berlin doch sehen, wie sie zu
recht kommen. Nur, mit genau dieser Haltung haben die drei rot-grünen
Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein
aufmüpfiges Selbstbewusstsein gegen Schwarz-Rot an der Spree
demonstriert. Sie haben es zumindest versucht. Und da sind wir bei
der zweiten Seite des Doppelpasses, der sachlich-politischen. Die
einen - SPD, Grüne, Linke und viele Migrantenverbände - fordern seit
langem die antiquierte Wahlpflicht für einen Pass, den deutschen oder
den der ausländischen Eltern, abzuschaffen. Statt diesem
Entweder-Oder soll es einfach beide Staatsbürgerschaften geben.
Immerhin leben 2,3 Millionen Menschen in Deutschland mit zwei Pässen.
Ohne dass es damit zu Loyalitätskonflikten kommt. Große Teile von CDU
und CSU dagegen wollen den Doppelpass nur unter ganz engen und
obendrein bürokratisch gefassten Bedingungen hinnehmen. Die doppelte
Staatsbürgerschaft sei kein Geschenk. Nur diejenigen sollten sie
behalten dürfen, die in der deutschen Gesellschaft angekommen sind,
meint die CSU-Spitze. Richtig ist, die doppelte Staatsbürgerschaft
löst keine Probleme bei der Integration, sie ist auch kein Alibi
dafür. Aber etwas weniger Krampf, weniger Bürokratie und dafür mehr
Weltoffenheit täte uns allen gut. Mehr Doppelpässe braucht das Land.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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