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BERLINER MORGENPOST: Dem Rechtsstaat dient hier keiner / Leitartikel von Hajo Schumacher

Geschrieben am 16-02-2014

Berlin (ots) - Ob sich Sebastian Edathy an eine Grenze wagte, von
der sich Politiker mit Karriereplänen fernhalten sollten oder ob es
sich um den Einstieg zu Strafbarem handelte, wird womöglich nie zu
klären sein. Fest steht nur, dass sein Ruf ruiniert ist. Und die
Karriere von Hans-Peter Friedrich gleich mit. Aber erlebt Deutschland
deswegen eine Staatsaffäre? Mitnichten. Im Gegenteil: Es herrscht
politischer Alltag. Der Edathy-Skandal gibt uns die Chance, für einen
Moment hinter den Vorhang medialer Inszenierungen blicken zu dürfen.
Berliner Politik, so lehrt der Fall, besteht offenkundig aus Hysterie
und Illoyalität, aus Eseleien und Gequatsche, Misstrauen und Häme. Es
handelt sich dabei nicht um Systemversagen, sondern um das System
selbst.

Da haut ein Abgeordneter offenbar von Panik gepackt sein
bisheriges Leben in Stücke, weil er ahnt, dass nichts zu retten ist.
Da tratscht ein Innenminister nach einem undurchschaubaren
Kumpelprinzip. Fortan verbreitet sich ein Gerücht, das durch den
Hinweis "streng vertraulich" erst richtig spannend wird. Da versetzt
die SPD einer - zu Recht - als lästig empfundenen CSU einen
wirkungsvollen Nackenschlag. Die Bayern werden sich rächen, das ist
klar. Am Ende traut fast keiner keinem, was die Kanzlerin seit jeher
vorlebt. Und in Rekordzeit ist diese Koalition angelangt, wo ihre
Vorgängerinnen steckten - in der Normalität einer Klimakatastrophe.

Einige Fragen hätte der Bürger dennoch gern beantwortet: Warum
informiert der Innenminister nicht seine Chefin, zumindest aber den
Kanzleramtsminister oder den Bundestagspräsidenten? Und vor allem:
Warum hat Friedrich seinem CSU-Chef nichts erzählt? Ziemlich beste
Feinde? Viel Unklares auch auf der anderen Seite: Hatte Edathy einen
Wink der Genossen überhaupt gebraucht? Im Sommer 2013, als bekannt
wurde, wie weit das Netz der NSA reicht, dass von der US-Botschaft
aus Kanzleramt und Regierungsviertel ausgespäht werden, hätte jeder
Kinderporno-Kunde seine Festplatten demolieren müssen. Und was genau
treibt die Staatsanwaltschaft Hannover, die sich im Wulff-Prozess den
Vorwurf des Übereifers gefallen lassen musste? Wenn erste Hinweise
Anfang November kamen, wenn Edathys Anwalt Ende des Monats
nachhorchte, warum warten die Fahnder ein Vierteljahr bis sie Rechner
sicherstellen? Es bleibt der Eindruck, dass jeder Akteur seine
eigenen Interessen verfolgte, von denen leider keine dem Rechtsstaat
dient.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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