(Registrieren)

Rheinische Post: Kommentar / Merkels Schwätzer lösen Koalitionskrise aus = Von Michael Bröcker

Geschrieben am 14-02-2014

Düsseldorf (ots) - Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich
kann mit seinem Rücktritt nur den ersten Teil der Verantwortung in
einer ernsten Staatsaffäre auf sich genommen haben. Sicher, der
CSU-Mann durfte als Innenminister nicht über Ermittlungen der ihm
unterstehenden Behörden sprechen. Er tat es dennoch. Dafür musste er
die Verantwortung übernehmen. Friedrich ist letztlich aber auch der
Geschwätzigkeit der SPD-Politiker zum Opfer gefallen. Sollte er den
SPD-Vorsitzenden Gabriel über möglicherweise bevorstehende
Ermittlungen informiert haben, um den potenziellen Koalitionspartner
vor einem damals realistischen Karrieresprung von Herrn Edathy zu
warnen, hat er menschlich nachvollziehbar gehandelt und nicht nur
Schaden von der SPD, sondern auch vom Staat abgewandt. Wenn Gabriel &
Co. daraufhin eine Stille-Post-Kette in Gang gesetzt haben, an deren
Ende gar Edathy informiert wurde, erfüllt das juristisch
möglicherweise den Tatbestand der Strafvereitelung. Die
Staatsanwaltschaft spricht davon, dass sie "hoffnungslos in der
Hinterhand" gewesen sei und dass Edathy von den Ermittlungen
frühzeitig erfahren habe. Statt den Rechtsstaat zu schützen, hat
diese sogenannte große Koalition den Rechtsstaat behindert. Das ist
nicht nur peinlich. Das ist ein schwerwiegender Fall von
Politikversagen. Es geht hier immerhin darum, dass ein SPD-Politiker
laut Stellungnahme der Ermittler im Internet Nacktfotos von Jungen im
Alter zwischen 9 und 14 Jahren angeschaut oder heruntergeladen haben
soll. Selbst wenn das juristisch "nur" an der Grenze zur
Kinderpornografie sein mag. Es ist widerlich. Die Sozialdemokraten,
aus deren Reihen die schnellsten Rücktrittsforderungen in Richtung
Friedrich kamen, werden sich nun fragen müssen, wie sie eigentlich
das Rechtsverständnis von Herrn Gabriel und des umtriebigen Juristen
Herrn Oppermann bewerten. Wenn die SPD-Führung einem Tatverdächtigen
zur Vernichtung von Beweisen verholfen hat, ist Friedrichs Rücktritt
nur der Anfang einer Reihe von notwendigen Konsequenzen. Zur
Erinnerung: Es waren eifrige SPD-Landespolitiker, die in
Niedersachsen einer Lokalzeitung Informationen über die Ermittlungen
weitergaben. Wie gelangte die Akte im Fall Edathy überhaupt an die
parteipolitische Öffentlichkeit? Warum blieb das Schreiben der
Staatsanwaltschaft an den Deutschen Bundestag dort eine Woche lang
liegen? Der Verdacht wiegt schwer, dass die große Koalition, wenn es
für ihre Mitglieder ernst wird, auch großer Vertuscher sein kann. Ein
verstörendes Signal.



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

512094

weitere Artikel:
  • Südwest Presse: Kommentar zum FRIEDRICH-RÜCKTRITT Ulm (ots) - Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt gelegentlich als zögerlich - gestern handelte sie ganz entgegen ihrer üblichen Haltung schnell und kompromisslos. Das Festhalten von Agrarminister Friedrich an seinem Amt war nur noch ein hilfloses Geplänkel, dem Druck der Kanzlerin und seines Parteichefs Horst Seehofer hatte der CSU-Mann nichts mehr entgegenzusetzen. Der Rücktritt war notwendig und macht klar, welches politische Erdbeben die Edathy-Affäre in Berlin ausgelöst hat. Der Rauswurf des glücklosen Friedrich beweist nicht nur, mehr...

  • Baku: Europäisches Parlament setzt Abgeordnete unter Druck, die sich lobend über die Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan geäußert haben Baku, Aserbaidschan (ots/PRNewswire) - Das Europäische Parlament (EP) lässt sich scheinbar immer neue Möglichkeiten einfallen, um Aserbaidschan unter Druck zu setzen: Nachrichtenmeldungen zufolge steht sieben Abgeordneten, die positiv über die Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr berichteten, nun ein Disziplinarverfahren bevor. Als offizielle Begründung für die Untersuchung wird angeführt, dass sich die Abgeordneten angeblich über neue Richtlinien zur Erstattung von Reisekosten und sonstigen Auslagen hinweggesetzt hätten. mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Kommentar: Das ging jetzt schnell Ravensburg (ots) - Hans-Peter Friedrich hat nicht etwa seine Doktorarbeit gefälscht, er hat keine außereheliche Affäre gehabt oder die Bundeskanzlerin allzu frech herausgefordert: Nein, er hat - vermutlich mit einer Mischung aus Chuzpe und vorübergehender Umnachtung - ein Geheimnis preisgegeben. Er hat so dem Ansehen der Politik Schaden zugefügt. Bei einem solchen Vergehen scheint die Kanzlerin weniger nachsichtig zu sein, als bei Sünden wie den vorgenannten. Alles andere als ein Rücktritt Friedrichs wäre für die sich gerade mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Regierungskrise in Italien Der unverschämte Renzi JULIUS MÜLLER-MEININGEN, ROM Bielefeld (ots) - Regierungen wechseln in Italien beinahe so häufig wie die Jahreszeiten. Mario Monti war 17 Monate Ministerpräsident, sein Nachfolger Enrico Letta zehn Monate. Jetzt ist Matteo Renzi, der respektlose Bürgermeister von Florenz, an der Reihe, der seinen Vorgänger Letta in einem parteiinternen Putsch aus dem Amt gejagt hat. Monti und Letta gewannen als seriöse Politikertypen schnell das Vertrauen der wichtigsten EU-Partner. Die Italiener begeisterten sie nicht. Beim unverschämten Renzi ist es andersherum. Bei seinen mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Ministerrücktritt im Fall Edathy Nicht zu fassen CARSTEN HEIL Bielefeld (ots) - Unabhängig davon, wie die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Sebastian Edathy ausgehen, wirft der Fall ein Licht auf den Umgang der Mächtigen mit dem Recht. Als gälte für sie das Gesetz nicht, plauderte mit Hans-Peter Friedrich ein amtierender CSU-Innenminister über Ermittlungen gegen einen Politikerkollegen. Und dessen SPD-Gesprächspartner Sigmar Gabriel hat nichts Besseres zu tun, als weitere Mitwisser ins Vertrauen zu ziehen. Wie auf dem Schulhof. So verwerflich schon der Besitz kinderpornografischen Materials mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht