(Registrieren)

Badische Zeitung: Südafrika nach Mandelas Tod: Chance zur Erneuerung - Leitartikel von Johannes Dieterich

Geschrieben am 12-12-2013

Freiburg (ots) - Das meiste, was in den vergangenen Tagen über
Nelson Mandela, den Gründungsvater des neuen Südafrika, gesagt wurde,
ist wahr: Er war "ein Gigant der Geschichte" (Barack Obama), ein
"unglaubliches Geschenk für die Menschheit" (Desmond Tutu), der
"größte Sohn, den Südafrika jemals hervorgebracht hat" (Jacob Zuma).
Nicht, dass sich der 95-jährige Pensionär noch in globale Debatten
oder die Geschicke Südafrikas eingemischt hätte: Trotzdem wird sein
Tod zumindest seine Heimat noch unberechenbarer machen. Die bloße
Anwesenheit des moralischen Kolosses wirkte wie ein Warnsignal für
Politiker, die die Orientierung zu verlieren drohten: Was würde
Madiba dazu sagen?, mussten sich entgleisende Entscheidungsträger
immer wieder fragen lassen. Gewiss wird Südafrika jetzt nicht
wieder in Schwarz und Weiß auseinanderbrechen oder gar von einer
"Nacht der langen Messer" heimgesucht werden, wie mancher ängstliche
Weiße glauben machen will: In ihrer Trauer und der Feier des Lebens
ihres außergewöhnlichen Führers sind sich die Südafrikaner eher
wieder näher gerückt. Das neu gestiftete Wir-Gefühl wird gewiss noch
eine Weile halten. Das Kap hat zwar seinen bedeutendsten Sohn nicht
aber seine Hoffnung verloren. Seiner Partei, dem regierenden
Afrikanischen Nationalkongress (ANC) erwies das erzloyale Mitglied
selbst im Sterben noch einen Dienst. Für die in schwere Schieflage
geratene Organisation hätte der Zeitpunkt seines Abschieds gar nicht
besser kommen können: Gerade war Staats- und ANC-Präsident Jacob Zuma
wieder einmal bis zum Hals in einem Skandal versunken, und das wenige
Monate vor den Wahlen. Dieses Mal geht es um die Verwendung von
Steuergeldern für sein luxuriöses Privatanwesen. Nun darf der ANC
hoffen, dass der Tsunami der Gefühle den Ärger mit sich reißt: Auch
wenn die gellenden Pfiffe, die sich Zuma bei der zentralen
Gedenkveranstaltung im Johannesburger Stadion vor fast hundert
Staats- und Regierungschefs aus aller Welt anhören musste, etwas
anderes nahelegt. Doch Zuma ist nur die Spitze des Müllbergs. Aus
der Organisation selbstloser Befreiungskämpfer, die mit Albert
Luthuli und Nelson Mandela gleich zwei Friedensnobelpreisträger
hervorgebrachte, ist eine Kadertruppe nach den Fleischtöpfen des
Landes jagender"Fat Cats" geworden: Der auch intern tobende
Raubtierkampf könnte - gemeinsam mit handfesten ideologischen
Differenzen - die über 100 Jahre alte Organisation früher oder später
auseinanderreißen. Denn von dem derzeitigen guten Gefühl sollte
sich keiner täuschen lassen. In Wahrheit ist der Regenbogenstaat
krank: Ausgezehrt von wirtschaftlicher Stagnation und einem
anhaltenden Wohlstandsgefälle, das die ohnehin nur ansatzweise
zustande gekommene soziale Harmonie zerstört. Während es der Mehrheit
der Weißen und einer wachsenden Minderheit von Schwarzen gut oder
sogar immer besser geht, verharrt ein Großteil der Schwarzen in
bitterer Armut und verliert zunehmend die Hoffnung, dass das
irgendwann anders wird. Zuma & Co haben kein Konzept, wie sie der
Misere begegnen könnten: Sie sind zu uninspiriert und zu sehr damit
beschäftigt, ihre eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Dabei
muss Südafrika dringend wirtschaftlich stabilisiert und dabei
"geistig-moralisch" auf Kurs gehalten werden. Zuma hat bewiesen, dass
er dazu nicht in der Lage ist. Wenn sich seine Partei nicht auf die
Vision und den selbstlosen Einsatz ihres größten Sohns Mandela zurück
besinnt, könnte dessen beispielloses Lebenswerk schließlich doch
umsonst gewesen sein. Immerhin: Südafrika hat die Chance, sich im Tod
seines Gründervaters weiter zu vereinen und nach vorne zu sehen.
Eine vergleichbare Gelegenheit zum sich Zusammenreißen wird es so
schnell nicht wieder geben.



Pressekontakt:
Badische Zeitung
Anselm Bußhoff
Telefon: 07 61 - 4 96-0
redaktion@badische-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

502227

weitere Artikel:
  • Lausitzer Rundschau: Im Schaufenster Zum Wulff-Prozess und zum Auftreten der früheren First Lady Cottbus (ots) - Was haben die meisten Beobachter eigentlich erwartet? Einen Rosenkrieg vor Gericht? Private Einblicke in eine zerrüttete Ehe? Nein, die Wulffs sind nicht so naiv, nach der Veröffentlichung von Bettina Wulffs Buch den Medien noch einmal ein peinliches Spektakel der persönlichen Abrechnung zu bieten. Das war von vornherein klar. Die Ex-First-Lady hat gut daran getan, die Sensationsgier nicht weiter zu bedienen. Wenn es überhaupt noch etwas gibt, womit sie dies hätte tun können. Inzwischen muss man sich sowieso fragen, mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Düstere Perspektiven Das Ringen Russlands und der EU um die Ukraine Cottbus (ots) - Wladimir Putin hat Kreide gefressen. Wer erwartet hatte, der russische Präsident werde seine Rede an die Nation nutzen, um den Streit mit der EU um die Ukraine anzufachen, der sah sich getäuscht. Die sonst übliche antiwestliche Rhetorik ließ er am Donnerstag beiseite. Putins ungewohnte Milde war umso beachtlicher, als sich fast zeitgleich die US-Regierung scharf in der Ukraine-Frage positionierte. Washington warnte die Herrschenden in Kiew vor dem Einsatz von Gewalt und drohte mit Sanktionen. Üblicherweise werden Strafmaßnahmen mehr...

  • Zur Sache-PoliTrend-Umfrage: Malu Dreyer deutlich vor Julia Klöckner Mainz (ots) - Sperrfrist: 12.12.2013 21:00 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Ungeachtet der Stärke der CDU in der aktuellen landespolitischen Stimmung würde weiterhin eine Mehrheit der Rheinland-Pfälzer für die amtierende sozialdemokratische Ministerpräsidentin Malu Dreyer stimmen, wenn sie die Ministerpräsidentin direkt wählen könnten. In der Entscheidung zwischen Malu Dreyer und Julia Klöckner würden sich 48 Prozent für die SPD-Politikerin mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Verhängnis Sterbehilfe = Von Lothar Schröder Düsseldorf (ots) - Dies sollten wir uns zuallererst eingestehen: dass niemand ermessen kann, was es heißt, die letzten Wochen und Monate seines Lebens mit großen, mitunter unerträglichen Schmerzen fristen zu müssen. Was es heißt, wenn die Qual zur einzigen Perspektive wird. Das aber darf uns nie freisprechen von der Verantwortung, eine entschiedene Position zur Sterbehilfe einzunehmen - und jetzt auch zur Sterbehilfe für Minderjährige, wie sie in Belgien legalisiert werden soll. Was für eine Vorstellung, die Eltern über den Tod ihres mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Vorratsdaten neu regeln = Von Gregor Mayntz Düsseldorf (ots) - Das Netz frohlockt: Der EU-Generalanwalt hält die Vorratsdaten-Richtlinie der EU für rechtswidrig, also sind angeblich auch die Pläne von Union und SPD zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gestorben. So simpel ist es aber nicht. Denn genau betrachtet ist für Pedro Cruz Villalón die Vorratsdatenspeicherung "völlig legitim" - nur halt so nicht, wie es die EU-Richtlinie vorgibt. Die Anforderungen an die Datensammler sind ihm zu gering, die Speicherfristen zu lang und die Bestimmungen für staatliches Abrufen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht