(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu CSU/Pkw-Maut

Geschrieben am 11-08-2013

Regensburg (ots) - Nur noch als schnurrendes Kätzchen werde sich
der bayerische Löwe gegenüber den Christdemokraten verhalten. Das
hatte der CSU-Chef und wahlkämpfende Ministerpräsident Horst Seehofer
ein ums andere Mal der Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen.
Doch 35 Tage vor der Bayernwahl mutiert Seehofer zum fauchenden
Löwen. Wieder mal und wieder mit Kalkül. Eine Pkw-Maut müsse her,
aber nur für Ausländer, die auf deutschen Autobahnen kostenlos
herumfahren. Doch das ist nicht einmal gut gebrüllt, Löwe, sondern
nur populistisch, europarechtlich zweifelhaft und in der Sache
absurd. Aber was soll's, wenn es Seehofer und der CSU nur ein paar
Stimmen mehr bringen sollte, um endlich die schmerzlich verloren
gegangene absolute Mehrheit im weiß-blauen Freistaat zurückzuerobern,
dann wäre es das Aufplustern wert. Hinter Seehofers Forderung steckt
der seit Jahren von den Christsozialen gehegte Wunsch, auch die
Autofahrer für die Benutzung der Autobahnen zur Kasse zu bitten.
Diese bittere Botschaft wird den Wählern, die in großer Zahl auch
Autofahrer sind, nicht so brutal mitgeteilt, sondern von Seehofer
jetzt als Ausländer-Maut hübsch drapiert. Dass nach dem Einstieg in
die Maut für nichtdeutsche (?) Autofahrer über kurz oder lang eine
allgemeine Pkw-Maut käme, kann sich jeder an fünf Fingern abzählen.
In der EU und wohl erst recht vor europäischen Gerichten hätte eine
solche diskriminierende Regelung nie und nimmer Bestand. Davon
abgesehen, dass nur etwa fünf Prozent der Autobahnbenutzer Ausländer
sind, würde der CSU-Vorstoß zugleich eine gewaltige Maut-Bürokratie
in Gang setzen, die die Einnahmen sicherlich übertreffen würde. Auch
das nimmt Seehofer mit seiner Schnapsidee in Kauf. Das wirkliche
Problem, das dahinter steckt, geht freilich viel tiefer. Die
Infrastruktur in Deutschland ist zwar augenscheinlich weitgehend
intakt, doch mit Blick auf die Zukunft tun sich große
Investitionslücken auf. Deutsche Straßen, Schienenwege und
Wasserstraßen brauchen den internationalen Vergleich nicht zu
scheuen. Doch gerade weil die Infrastruktur hierzulande so weit und
so gut entwickelt ist, braucht es enorme Mittel, um diesen guten
Standard aufrechtzuerhalten und da, wo es notwendig ist, auszubauen.
An den vor allem in den 60er und 70er Jahren in den alten
Bundesländern gebauten Bundesstraßen und Autobahnen nagte kräftig der
Zahn der Zeit. Hinzu kommt, dass wegen der Bevorzugung der neuen
Länder in den vergangenen Jahren der Westen ins Hintertreffen geriet.
CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer verspricht zwar immer wieder,
dass Erhaltung im Westen Vorrang vor Neubau im Osten haben müsse,
doch auch er kann den Euro nur einmal ausgeben. Die Investitionspläne
des Bundes sind mit schätzungsweise acht Milliarden Euro
unterfinanziert. Pro Jahr! Woher das Geld nehmen und nicht stehlen?
Projekte, mit denen Autobahnen privat finanziert, gebaut, saniert und
dann für einige Jahrzehnte per Mauteinnahme abbezahlt werden, sind
nicht der große Renner. Da käme eine Maut gerade recht. Aber nicht
so, wie sie Seehofer, Ramsauer und Co. jetzt aus lauter
wahlkämpferischem Übereifer vorschlagen. Von der Entlastung bei der
Kfz-Steuer im Gegenzug auf die Einführung der Maut ist keine Rede
mehr. Warum eigentlich nicht?



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

479304

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Mainzer Bahnchos Stuttgart (ots) - Für eine hoch entwickelte Industrienation wie Deutschland sind die Einschränkungen schlichtweg inakzeptabel. Die Bahn verprellt einmal mehr ihre Kunden. Schlechte Planung, schlechtes Management: In Mainz wurde der Bogen überspannt und gegen die Betriebspflicht verstoßen. Höchste Zeit, dass der Bundesverkehrsminister für Ordnung sorgt, er trägt die politische Verantwortung. Es ist ziemlich peinlich, jetzt urlaubende Mitarbeiter zu bitten, vorzeitig an ihre Arbeitsplätze zurückzukommen. Doch will man schnell wieder mehr...

  • Westfalenpost: Rückkehr der Vernunft Von Stefan Hans Kläsener Hagen (ots) - Wenn ein Wochenende vergangenen ist, an dem die einzige schrille politische Meinungsäußerung zum vermeintlichen oder tatsächlichen Geheimdienstskandal von SPD-Chef Sigmar Gabriel stammt, ist das ein untrügliches Zeichen: Es kehren Ruhe und Vernunft ein. Die Opposition hat erkannt, dass das Thema schwerlich für den Wahlkampf taugt. Erstens sitzt sie im Glashaus, weil die Geheimdienste im Kanzleramt koordiniert werden und dieses ja gelegentlich auch von Sozialdemokraten geleitet wurde. Zweitens steht, so merkwürdig mehr...

  • Westfalenpost: Schuldprinzip als Grundlage des Rechtsstaats Von Harald Ries Hagen (ots) - Der Ärger der Polizei ist verständlich: Viele Temposünder kommen davon, weil ihnen der Verstoß nicht nachgewiesen werden kann. Der Versuch bindet Personal, das besser eingesetzt werden könnte, moniert Gewerkschaftschef Wendt. Diese Klage hat er bereits mehrfach vorgetragen. Ohne Erfolg. Zum Glück. Es ist ja auch sonst leider so, dass allerlei große und kleine Kriminelle ungestraft davonkommen, weil ihnen ihr böses Tun nicht nachgewiesen werden kann. Aber dieser Nachweis sollte im Rechtsstaat nun einmal die Voraussetzung mehr...

  • WAZ: Der ferne Wahlkampf - Kommentar von Miguel Sanches Essen (ots) - Es sind noch sechs Wochen bis zur Wahl. Politisch geht es relativ ruhig zu. Die Spähaffäre ist die Ausnahme. Sie treibt aber mehr die Medien als die Menschen um. Am Ende wird es über den SPD-Wahlkampf heißen: Sie ritt einen toten Gaul. Die CDU sattelt gar kein Pferd. Man muss sich um die Wahlbeteiligung sorgen. Bis in die 80er Jahre betrug sie 90 Prozent. Dann sackte sie auf die 80-Prozent-Marke. Vor vier Jahren lag sie knapp über 70 Prozent. Es gibt einen hohen Anteil der Politik entfremdeter Bürger. Die AfD spekuliert mehr...

  • WAZ: Boykott ist keine Lösung - Kommentar von Gudrun Büscher Essen (ots) - Man muss kein Hellseher sein, um diese Aussage zu wagen: Das russische Skandalgesetz "gegen homosexuelle Propaganda" wird nicht zu einem Boykott der Olympischen Winterspiele 2014 führen. Und das ist gut so. So furchtbar dieses Gesetz auch ist, so wenig taugt die "Jugend der Welt" als Druckmittel dort, wo die Politik nicht mehr weiter weiß. Der Boykott der Olympischen Spiele war schon immer ein Missbrauch der Olympischen Idee, die - zumindest im Ursprung - dem sportlichen Wettkampf und der Völkerverständigung dienen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht