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ROG: Manning-Urteil schafft besorgniserregenden Präzedenzfall für US-Informantenschutz

Geschrieben am 30-07-2013

Berlin (ots) - 30.07.2013 - Reporter ohne Grenzen (ROG) ist
bestürzt über das Urteil eines US-Militärgerichts gegen den
Wikileaks-Informanten Bradley Manning. Der Soldat hatte sich in
einigen Anklagepunkten schuldig bekannt. Das Urteil vom Dienstag (30.
Juli) folgt jedoch zum Teil den erheblich weitergehenden Vorwürfen
der Anklage, auch wenn er vom schwersten Vorwurf, der "Unterstützung
des Feindes" freigesprochen wurde.

"Bradley Manning ist der Prototyp eines Informanten, der unter
großen persönlichen Risiken politische Missstände öffentlich gemacht
hat", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Die durch Manning
ermöglichten Enthüllungen hätten eine breite Debatte in den USA und
darüber hinaus über die Irak- und Afghanistanpolitik der USA sowie
über Exzesse von Militär und Justiz angestoßen. Deshalb schaffe das
Urteil gegen ihn einen gefährlichen Präzedenzfall. "Mutige Menschen
wie er und Edward Snowden sind unverzichtbar, damit Journalisten
Fehlentwicklungen publik machen können. Solche Informanten verdienen
einen starken gesetzlichen Schutz und keine drakonischen Strafen."

Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama hat die Verfolgung
von Journalisten und "Whistleblowern" in den USA besorgniserregende
Ausmaße angenommen: Das US-Justizministerium ließ
Telefonverbindungsdaten der Nachrichtenagentur Associated Press (AP)
beschlagnahmen - offenbar, um die Quellen für einen Bericht über
einen CIA-Einsatz zu ermitteln. (http://bit.ly/15IQOFM) Der Fox
News-Korrespondent James Rosen wird wegen der Veröffentlichung
geheimer Nordkorea-Informationen als "Mitverschwörer" eines
mutmaßlichen Informanten im Außenministerium verfolgt.
(http://wapo.st/115Hzqh) Der New York Times-Reporter David Sanger
geriet wegen seiner Recherchen über geheime Computerangriffe auf den
Iran ins Visier der Ermittler. Dem Investigativjournalisten Barrett
Brown drohen 105 Jahre Haft, weil er einen bereits bekannten Link zu
einer Seite mit gehackten E-Mails einer Sicherheitsfirma in einem
Chatforum veröffentlichte. (http://bit.ly/15ypuYi) Angesichts der
Häufung dieser Fälle sprach der Spiegel jüngst von einem "Krieg gegen
missliebige Medieninformanten". (http://bit.ly/1aGtFT9)

Unter dem Eindruck der Kritik am scharfen Vorgehen der Behörden
hat das US-Justizministerium Mitte Juli seine Anweisungen zum Umgang
mit solchen Fällen überarbeitet. (http://1.usa.gov/12mkn9B) Dies ist
zwar ein Schritt in die richtige Richtung, da es den Gebrauch von
Zwangsvorladungen und Durchsuchungsbeschlüssen gegen Journalisten
einschränkt. Fälle wie der des New York Times-Reporters James Risen
deuten jedoch in die gegenteilige Richtung. Ein Gericht im US-Staat
Virginia entschied jüngst, dass der Journalist im Prozess gegen einen
früheren CIA-Mitarbeiter aussagen müsse, dem Geheimnisverrat
vorgeworfen wird. (http://slate.me/15bPh7R) Risen hatte in einem Buch
eine versuchte Geheimdienstoperation gegen das iranische Atomprogramm
publik gemacht.

Obama bemüht sich inzwischen, im US-Senat eine Gesetzesinitiative
von 2009 zum Informantenschutz wiederbeleben zu lassen.
(http://bloom.bg/14oIxlO) Allerdings sieht dieser Entwurf einen
weniger starken Schutz vor als eine ähnliche Initiative des
Repräsentantenhauses (http://newsguild.org/node/3173), die derzeit
ebenfalls erneut diskutiert wird. Vor allem enthält der Senatsentwurf
weitreichende Ausnahmen vom Informantenschutz bei Belangen der
nationalen Sicherheit und wäre deshalb bei Enthüllungen über Militär-
und Geheimdienstaktivitäten wirkungslos. Die Überwachungen von AP und
dem Fox-Reporter Rosen hätte er nicht verhindert. Den Begriff der
Nachrichtenmedien definiert der Senatstext zudem so eng, dass ein
solches Gesetz keinen Schutz für Internetplattformen wie Wikileaks
sowie für viele Online-Reporter, Blogger und freie Journalisten
bieten würde.

Reporter ohne Grenzen hat jüngst eigene Vorschläge für ein
US-Gesetz zum Informantenschutz vorgelegt. (http://bit.ly/17DuT2u)
Diese sehen vor, die Vertraulichkeit journalistischer Quellen unter
Strafandrohung zu schützen. Verletzungen dieses Grundsatzes durch
Amtsträger sollten als besonders schwerwiegend geahndet werden. Der
Schutz muss auch für Blogger und Netzaktivisten gelten, die an der
Verbreitung von Informationen mitwirken, außerdem für
Dokumentarfilmer und Autoren journalistischer Bücher. Ausnahmen vom
Prinzip des Quellenschutzes sollten nach diesem Entwurf auf eng
umrissene Sonderfälle beschränkt werden, in denen Leib und Leben von
Menschen in Gefahr sind oder ein unmittelbar drohender Angriff auf
die territoriale Integrität abzuwenden ist.

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit stehen die USA auf Platz
32 von 179 Ländern. Detaillierte Meldungen zur Pressefreiheit in den
Vereinigten Staaten (auf Englisch) finden Sie unter
http://en.rsf.org/united-states.html.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
Pressearbeit
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 202 15 10 - 16
F: +49 (0)30 202 15 10 - 29


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