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DER STANDARD-Kommentar: "Im humanitätsfreien Raum" von Michael Völker

Geschrieben am 30-07-2013

"Im Wahlkampf lässt sich Abschiebung besser argumentieren als
Duldung"; Ausgabe vom 31.7.2013

Wien (ots) - Ein Kommunikationsdesaster, wie es Justizministerin
Beatrix Karl im Falle des in der Untersuchungshaft vergewaltigten
14-Jährigen erlitt, kann Johanna Mikl-Leitner, ebenfalls von der ÖVP,
nicht passieren. Dazu ist die Innenministerin zu sehr Profi. Während
sich Karl mit aufgesetzter Uneinsichtigkeit, ehrlicher Inkompetenz
und unangemessener Wortwahl zur Eisernen Lady ohne Mitgefühl
stilisierte, bedient Mikl-Leitner die Öffentlichkeit mit kühlem
Kalkül. Sie telefoniert den Journalisten, die sich mit dem "Fall"
befassen, persönlich nach. Erklärt die "Sachlage". Ruhig, freundlich,
bestimmt. Der Fall: Acht Männer aus Pakistan, die zuletzt unter der
Obhut der Kirche im Servitenkloster Unterkunft, aber offensichtlich
keinen Schutz gefunden hatten, werden mit polizeilicher Gewalt in ihr
"Herkunftsland" zurückgebracht. Ihre Asylverfahren sind negativ
abgeschlossen, die pakistanische Botschaft hat ihnen
"Heimreisezertifikate" ausgestellt, sie wurden in Haft genommen,
werden abgeschoben. Das sei keine leichte Aufgabe, erklärte die
Innenministerin, die Polizisten haben ja kein Herz aus Stein. Aber so
ist halt die Rechtslage. Menschlichkeit? Das ist eine andere
Baustelle. Hier geht es um politische Berechnung: Da könnte ja sonst
ein jeder kommen. Und bleiben wollen. Irgendwie ist es ganz
praktisch, dass andere Pakistani, ebenfalls aus dem Kloster, nahezu
zeitgleich wegen des Verdachts der Schlepperei festgenommen werden.
Das hilft der Ministerin, rein von der Stimmungslage her. Mit dem
Wahlkampf habe das nichts zu tun, argumentiert Mikl-Leitner. Die
ÖVP-Zentrale wird sicherheitshalber aber von einem Polizeikordon
umstellt. Es könnten Demonstranten kommen. Alles rechtmäßig. Mag
schon sein. Die Berichte, die sich das Innenministerium heraussucht,
besagen, dass die Lage in Pakistan sicher, eine Abschiebung daher
zulässig sei. Andere Quellen gehen davon aus, dass den Flüchtlingen
in ihrem Heimatland große Gefahr droht. Die Glaubwürdigkeit dieser
Einschätzung wird mit dem Argument des naiven Gutmenschentums
argumentativ niedergeknüppelt. In Wien werden übrigens auch Menschen,
die sich in Kundgebungen mit den Flüchtlingen solidarisieren, von der
Polizei niedergeschlagen. Die ÖVP hat diese Abschiebungen mit
Sicherheit nicht für den Wahlkampf inszeniert. Aber sie war gut
darauf vorbereitet und spielt damit: Das Thema kommt ihr gelegen. Ein
bisschen Law and Order hat sich im Wahlkampf immer bewährt, da rücken
Funktionäre und Sympathisanten zusammen. Und wenn sich dann sogar ein
Kardinal zu Wort meldet und seiner persönlichen Traurigkeit Ausdruck
verleiht, schärft das nur das eigene Profil: katholisch, das schon,
aber ohne falsche Wehleidigkeit. Besonders dann nicht, wenn es um das
Schicksal von anderen geht. Über ein humanitäres Bleiberecht wird im
Wahlkampf nicht diskutiert. Für die ÖVP - und im Übrigen auch für die
SPÖ, die lieber gar nichts dazu sagt - ist das thematisch viel zu
heikel. Im Wahlkampf lässt sich auch für eine Partei, die sich auf
eine christlich-soziale Tradition beruft, die Abschiebung leichter
argumentieren als die Duldung von Flüchtlingen: Für zwölf weitere
Männer, die im Servitenkloster untergebracht sind, wurde bereits das
"Heimreisezertifikat" beantragt. Es ist dies die "Errichtung eines
humanitätsfreien Raumes", wie es Caritas-Präsident Franz Küberl
formuliert.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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