(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum EU-Gipfel: Kleinliches Geschacher von Hanna Vauchelle

Geschrieben am 28-06-2013

Regensburg (ots) - Londons Starrköpfigkeit wirft einen großen
Schatten auf den Gipfel.

Chaotische Rettungsaktionen, Dauer-Streit, Bürokratieberge - wenn
in der EU alles drunter und drüber geht, kann man sich dennoch einer
Sache sicher sein: London bleibt London. Dass Briten-Premier David
Cameron seine Sichtweise auf die Union wohl nie ändern wird, stellte
er wieder unter Beweis. Die EU ist für ihn ein leidiges Übel, das
höchstens dazu gut ist, möglichst viel Geld herauszuschlagen. Mit
dieser Haltung hätte er beim Gipfel beinahe den zuvor mühsam
errungenen Haushaltsdeal wieder zum Platzen gebracht. Dabei wollten
die EU-Partner nichts anderes als ein Signal der Geschlossenheit
aussenden. Das hat Cameron ihnen verdorben. Es sollte ein Gipfel der
Harmonie und Entschlossenheit werden. Angesichts der desolaten Lage
auf dem europäischen Jobmarkt für Jugendliche ging es den EU-Spitzen
darum, Flagge zu zeigen. Lange genug hat es gedauert, bis die sechs
Milliarden Euro Hilfen für Förderprogramme auf den Weg gebracht
werden konnten. Dafür rauften sich am Donnerstagmorgen sogar das
Europaparlament und die Mitgliedsstaaten zusammen. Beide Seiten waren
zu Abstrichen bereit und gingen am Ende aufeinander zu. Schön, wenn
Europa immer so kooperativ funktionieren könnte. Durch diese Einigung
war es gelungen, den Staats- und Regierungschefs Platz auf der großen
EU-Bühne zu machen. Sie konnten und sollten sich nun als Macher
profilieren, die den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit
aufnehmen. Aber wieder einmal belasteten kleinliche nationale
Interessen den Gipfel. Dass Großbritannien nun sogar einen Zuschlag
auf seinen bereits gewährten Rabatt bekommen soll, ist unverständlich
und zementiert das altbekannte Bild: In der EU wird wie auf dem Basar
geschachert. Dem Image der Union ist das sicher nicht zuträglich -
und angesichts der drängenden Probleme in Europa völlig deplatziert.
Cameron hat einen weiteren Beweis dafür geliefert, dass es um das
europäische Projekt nicht zum Besten bestellt ist. Längst geben die
Hauptstädte den Ton an, Brüssel hat hingegen immer weniger zu melden.
Ob der EU-Ratschef oder der Kommissionspräsident, sie alle ordnen
sich widerspruchslos dem Willen der Mitgliedsstaaten unter.
Sprachrohre sind Cameron und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. So
durfte Ratschef Herman Van Rompuy beim Gipfel lediglich eine Bilanz
der bisher geleisteten Euroraum-Reformschritte ziehen. Neue
Entscheidungen wurden auf Druck Merkels auf den Herbst vertagt. Und
auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso spielt im EU-Konzert
höchstens noch die zweite Geige. Momentan nimmt ihn ein irrwitziger
Schlagabtausch mit der französischen Presse in Beschlag. Da ist es
für die Bundeskanzlerin nicht schwer, dem Portugiesen in die Parade
zu fahren. Für nächste Woche hat sie die EU-Partner nach Berlin zum
Job-Gipfel für Europas Jugendliche eingeladen. Das Rampenlicht dürfte
der Kanzlerin dabei sicher sein. Allein man fragt sich, wozu nun
diese zweite Konferenz zum gleichen Thema? Hätte man die Beschlüsse
nicht auch schon gestern in Brüssel treffen können? Nicht einmal
Martin Schulz, der sonst so streitbare Parlamentspräsident, begehrt
gegen den schleichenden Machtverlust noch auf. Dabei käme der Kammer
eine entscheidende Rolle als Korrektiv zu. Doch bei den
Ad-hoc-Verhandlungen zum Finanzrahmen musste Schulz klein beigeben
und darf sich nun auf den Zorn seiner Abgeordneten gefasst machen.
Europa kommt derzeit nicht über das nationale Geplänkel der
Mitgliedsstaaten hinaus. Die Quittung dafür dürfte es bei den
Europawahlen geben. Wenn die Wahlbeteiligung erneut absinkt, wird der
Katzenjammer in den Hauptstädten groß sein.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

472451

weitere Artikel:
  • Schwäbische Zeitung: Geliebte Subvention - Kommentar Ravensburg (ots) - Dass der Tourismus-Sektor im Bezirk Schwaben ein entscheidender Wirtschaftsfaktor ist, dürfte jedem klar sein. Zum einen machen Hotels, Wirtshäuser oder Bergbahnen entsprechende Umsätze. Zum anderen verdienen Handwerker, Lebensmittelhändler und sonstige Geschäfte an Urlaubern. So soll es sein. Deshalb ist es durchaus richtig, dass diesem Wirtschaftszweig in kritischen Zeiten vom Staat geholfen wird. Dies ist 2010 durch die Ermäßigung der Mehrwertsteuer geschehen. Letztlich handelt es sich dabei um eine Subvention. mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Braucht die Kirche eine Bank? - Leitartikel Ravensburg (ots) - Die Festnahme eines in der römischen Kurie tätigen Priesters zeigt deutlich: Der Sumpf im Vatikan ist tiefer als bisher bekannt. Dem Geistlichen werden Geldwäsche, Korruption und Betrug vorgeworfen. Betrachtet man die Ermittlungen gegen die Vatikanbank, die immer noch nicht europäischen Standards genügt, so wird klar: Hier geht es nicht um Einzelfälle, sondern um ein System, das Kriminalität begünstigt. Papst Franziskus, der eine Reform des Geldinstituts angekündigt hat, steht vor einer Herkules-Aufgabe. Dass er mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Bundestag verabschiedet Fluthilfefonds / Konsens mit Schatten Cottbus (ots) - Wo ein Wille ist, da ist bekanntlich auch immer ein Weg. Was den Hilfsfonds für die Geschädigten der jüngsten Flutkatastrophe angeht, so wurde er von den Berliner Parteien auch noch sehr zügig beschritten. Der Vorgang lehrt, dass es nicht immer eine Bankenrettung sein muss, um rasches politisches Handeln unter Beweis zu stellen. Die Opfer des Hochwassers werden es dankbar zur Kenntnis nehmen. Sie muss auch der Streit um die Finanzierung der Hilfen nicht weiter kümmern. Obwohl dieser Aspekt zweifellos einen Schatten mehr...

  • Badische Neueste Nachrichten: Trügerische Gewissheit Karlsruhe (ots) - Politiker sonnen sich gerne im Lichte glänzender Umfragewerte - für die Union allerdings wird das demoskopische Dauerhoch allmählich zu einer strategischen Last. In dem Moment, in dem die eigenen Anhänger den Eindruck haben, die Wahl sei schon gelaufen, schwindet auf ebenso subtile wie verhängnisvolle Weise ihre Motivation für den Wahlkampf. Wer dagegen das Gefühl hat, dass tatsächlich noch jede Stimme zählt, lässt in seinem Engagement nicht so leicht nach, sondern kniet sich erst recht rein. Bei Umfragewerten von mehr...

  • Badische Neueste Nachrichten: Misstöne Karlsruhe (ots) - Den deutschen Sparern und Steuerzahlern muss das Messer im Sack aufgehen: Während die Bundesregierung mit Milliardenbürgschaften gegen die Finanzkrise ankämpfte, machten sich Pleite-Banker in Irland lauthals über die Deutschen lustig. Die Kanzlerin reagierte beim Gipfel in Brüssel mit Verachtung auf die herablassenden Sprüche aus der Dubliner Banken-Chefetage. Die Bosse aus der irischen Hauptstadt werden nicht die einzigen sein, die sich diebisch freuen, dass der deutsche Staat einspringen muss, um marode Finanzinstitute mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht