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DER STANDARD-Kommentar "Der Wahlkampf als Kindergarten" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 21-06-2013

"Hochwasser-Show und Golan-Rückzug: Wie sich Politiker und
Österreich blamieren" - Ausgabe 22.6.2013

wien (ots) - Österreich leidet derzeit nicht nur unter brütender
Hitze sondern auch unter heißer Luft. Die produziert die Politik und
liefert damit eine Vorstellung von dem, was uns in den nächsten knapp
hundert Tagen bis zu Nationalratswahl noch bevorsteht. Luftblasen
sind viele der Wahlversprechen, die Politiker derzeit abgeben: Da
wird von ÖVP-Seite die hohe Steuerbelastung angeprangert, von SPÖlern
die Reichen als Feindbild dargestellt, die FPÖ will plötzlich eine
"inländerfreundliche Politik", um das Wort Ausländerfeindlichkeit zu
vermeiden. Die Grünen haben öffentlichkeitswirksam das Thema
Hochwasser für ihre Klausur genutzt, während Frank Stronach gleich
mit einem 500.000-Euro-Scheck für die Hochwasseropfer ausrückte und
via TV einen Kandidaten suchen wollte. Wenn man sich vor heimischer
Kulisse blamiert, ist das eine Sache. Geht es um internationale
Vereinbarungen, die mit Blick auf den nahenden Wahltermin nicht mehr
eingehalten werden, dann hat das eine andere Dimension. Blamabel ist
die Art des Rückzugs der österreichischen Blauhelm-Soldaten vom
Golan. Die 90-Tages-Frist für den Truppenabzug mit der Uno_und die
damit eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen sollten der Regierung
vor ihrer überstürzten Entscheidung bekannt gewesen sein. Dass sich
die Uno darüber beklagt, angesichts der Dissonanzen in der Koalition
und damit im Außen- und Verteidigungsministerium keine
Ansprechpartner zu finden, zeigt Unprofessionalität. Der von der SPÖ
gestellte Verteidigungsminister Gerald Klug will, unterstützt vom
Kanzler , möglichst rasch aus der Gefahrenzone, im ÖVP-geführten
Außenministerium hat man mittlerweile das Kleingedruckte gelesen und
erkannt, dass ein rascher Rückzug ohne Einvernehmen mit der Uno
Rechtsbruch wäre. Durch die Wahlkampfpanik setzt Österreich seinen
Ruf als verlässlicher Partner international aufs Spiel. Der damalige
Nato-Generalsekretär Javier Solana hatte einmal mit Bezug auf
Österreichs Neutralität gemeint, dies könne auch eine Form von
Unsolidarität sein. International war respektiert worden, dass
Österreich zwar nicht der Nato, wo die Beistandspflicht gilt,
beitreten will. Aber durch die Teilnahme an Blauhelm-Missionen -
nicht zuletzt am Golan - hat sich das Land seit Jahrzehnten
Solidarität bewiesen. Damit wird nicht nur die Uno desavouiert,
sondern auch Wien als einer von drei Standorten der Vereinten
Nationen aufs Spiel gesetzt. Aber wenn man nur den nächsten
Wahltermin im Blick hat, nimmt man solche Kollateralschäden offenbar
in Kauf. Dass Diplomaten von "Flucht" sprechen und sich Militärs
darüber beklagen, jetzt als "Weicheier" dazustehen, wird das
Austro-Ego ramponieren. Zu befürchten ist, dass in den nächsten
Wochen noch weitere Ideen ausgebrütet werden. Die derzeit über
Österreich rollende Pleitewelle könnte Anlass für Regierende sein,
auf populistisch angehauchte Maßnahmen zu setzen. Die Opposition wird
auch versuchen, daraus politischen Profit zu schlagen. Wiens
Bürgermeister Michael Häupl hat einmal festgestellt, Wahlkämpfe seien
Zeiten "fokussierter Unintelligenz". Nimmt man noch die Einschätzung
von Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger dazu, während des
Wahlkampfes müsse man mit dem Wortschatz eines Kindergartens
auskommen, können wir uns noch auf einiges einstellen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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