(Registrieren)

Westdeutsche Zeitung: Im Münchner Prozess sind Enttäuschungen programmiert = von Olaf Steinacker

Geschrieben am 06-05-2013

Düsseldorf (ots) - Wenn man seine Erwartungen ein ganzes Stück
zurückschraubt, lässt sich aus dem ersten Prozesstag gegen die
mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und deren vier
mutmaßliche Helfer tatsächlich so etwas wie eine gute Nachricht
destillieren: nämlich die, dass das Verfahren gestern überhaupt
begonnen hat. Dies war nach dem wochenlangen, ebenso überflüssigen
wie unwürdigen Geplänkel um die Verteilung der Presseplätze nicht
unbedingt eine ausgemachte Sache.

Weniger überraschend kam der Befangenheitsantrag gegen den
Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Dieses Vorgehen von Zschäpes
Verteidigern Sturm, Heer und Stahl gehört nicht nur zum juristischen
Einmaleins, sondern ist nach den einseitig verordneten
Sicherheitskontrollen für das Juristen-Trio sogar nachzuvollziehen.
Vermutlich wird es im Laufe der kommenden zweieinhalb Jahre, die der
Prozess geschätzt dauern soll, nicht der einzige Antrag dieser Art
bleiben.

Ob am Ende alle Fragen beantwortet sein werden, ist fraglich. Zu
bezweifeln ist gar, ob der spätere Urteilsspruch viel mit
Gerechtigkeit im landläufigen Sinn zu tun haben wird und kann. Das
hat weniger mit dem Anklagepunkt der Mittäterschaft gegen Zschäpe zu
tun, der Experten zufolge schwierig zu beweisen sein dürfte und
folglich auf tönernen Füßen steht. Vielmehr sind es die vielfach
überzogenen Hoffnungen der Öffentlichkeit, die für Enttäuschungen
sorgen werden.

Denn längst geht es nicht mehr um die Hauptsache, die persönliche
Schuld der Angeklagten: Vielmehr soll das Gericht Antworten geben auf
die offenkundigen Stümpereien von Verfassungsschutz und Polizei -
wenn man sich dieser noch wohlwollenden Deutung anschließen möchte.
Es soll den Angehörigen der Ermordeten Genugtuung verschaffen, weil
sie jahrelang von den Behörden als Täter- und/oder Mitwisser
verleumdet wurden. Schließlich sollen Götzl und Kollegen mit ihrem
Urteil auch noch einen Schlussstrich unter das Kapitel Naziterror
ziehen.

Wenig von alledem kann das Gericht leisten. Es wäre ein Gewinn,
wenn am Ende zweifelsfrei geklärt ist, wer genau gemordet und gebombt
und wer geholfen hat. Juristisches Fingerhakeln mit
Befangenheitsanträgen ist dafür kein Hindernis. Überzogene
Erwartungen sind es schon.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

462343

weitere Artikel:
  • Allg. Zeitung Mainz: Katastrophal / Kommentar zum NSU-Prozess Mainz (ots) - Manfred Götzl ist in seinen beruflichen Entscheidungen nahezu völlig unabhängig, denn Manfred Götzl ist Richter. Doch richterliche Unabhängigkeit bedeutet nicht, tun und lassen zu können, was man will. Und es bedeutet schon gar nicht, über allem zu schweben und Entscheidungen zu treffen, ungeachtet ihrer möglichen Konsequenzen für das Verfahren, das ihm anvertraut ist. Manfred Götzl, Vorsitzender Richter im Prozess gegen Beate Zschäpe, scheint das nicht so zu sehen. Nachdem sich der Prozessbeginn gegen die mutmaßliche mehr...

  • WAZ: Ihr langes Warten auf Gerechtigkeit - Kommentar von Hayke Lanwert Essen (ots) - Zwölf Jahre sind vergangen, seit Enver Simsek, der Blumenhändler aus Nürnberg erschossen wurde. Sieben Jahre, seitdem die tödlichen Kugeln den Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubasik trafen. Das Leben ihrer Familien, ihrer Frauen und Kinder, hat sich durch diese Attentate einschneidend verändert. Durch die Attentate selbst, aber auch durch das, was folgte. Jahrelange Unsicherheit darüber, wer warum ihre Lieben tötete. Dazu Ermittlungen, die die Ermordeten selbst in kriminelle Zusammenhänge brachten. Ein Verdacht, der mehr...

  • WAZ: Monströser Alptraum in Syrien - Kommentar von Martin Gehlen Essen (ots) - Der syrische Bürgerkrieg steht vor einer neuen Stufe der Eskalation. Zwei Jahre nach dem Beginn des Mordens werden nun auch die Nachbarstaaten in das bestialische Ringen hineingezogen. Und der wahrscheinliche Giftgaseinsatz durch die Aufständischen zeigt, dass auch bei den Gegnern des Diktators offenbar die letzten Hemmungen fallen. Über die ganze Region könnte bald ein furchtbarer Flächenbrand hinwegtoben. Syrien liegt im Fadenkreuz regionaler und globaler, ethnischer und religiöser Gegensätze, die sich nun offen zu entladen mehr...

  • neues deutschland: NSU-Prozess: Ab jetzt gilt's Berlin (ots) - Die deutsche und internationale Öffentlichkeit blickte am Montag mit Spannung nach München: Presse, Prozessbesucher, Polizei und Demonstranten drängten sich dort vor dem Gebäude des Oberlandesgerichts. Doch das Draußen ist seit gestern Begleitmusik. Drinnen sahen die Angehörigen der NSU-Mordopfer, die zum Prozessauftakt gekommen waren, zum ersten Mal die Angeklagte Beate Zschäpe und ihre mutmaßlichen Unterstützer von Angesicht zu Angesicht. Und der Vorsitzende Richter wurde mit zwei Befangenheitsanträgen konfrontiert. mehr...

  • Trierischer Volksfreund: Auftakt im NSU-Prozess - Kommentar, Trierischer Volksfreund, 07.05.2013 Trier (ots) - Das war gestern nicht der Tag von Beate Zschäpe oder ihrer Mitangeklagten. Auch wenn sich die Blicke der Öffentlichkeit auf die Beschuldigten beim Betreten des Gerichtssaals richteten, auch wenn es im Fernsehen und in anderen Medien vor allem um die mutmaßliche Mittäterin und die Helfershelfer der Rechtsterroristen ging. Selbst der Umstand, dass der Prozess jetzt noch einmal wegen einiger Befangenheitsanträge unterbrochen worden ist, ändert nichts daran, dass der gestrige Tag den Angehörigen der Opfer gehört hat. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht