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Westdeutsche Zeitung: Unverhältnismäßige Datensammelei Ein Kommentar von Olaf Steinacker

Geschrieben am 24-04-2013

Düsseldorf (ots) - Ein wesentlicher Rechtsgrundsatz in Deutschland
ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Obwohl es Verfassungsrang
genießt, hat der Gesetzgeber sich in den vergangenen Jahren einiges
einfallen lassen, es auszuhebeln. Beispielsweise mit der sogenannten
Antiterrordatei, die es rund 60 Behörden im Bund und in den Ländern
seit knapp sechs Jahren gestattet, auf zentral gespeicherte
Informationen über gewaltbereite Extremisten zuzugreifen. An der
Existenz dieser Datei haben die Karlsruher Richter mit ihrem
gestrigen Urteil nichts auszusetzen. Wohl aber am Umgang mit den
Daten - auch und vor allem mit dem ausufernden Umfang der Datei.

Denn eins ist diese behördliche Datensammelei ganz sicher nicht -
verhältnismäßig. Dies zeigt ein nüchterner Blick auf die Zahlen. Rund
18 000 Menschen sind in irgendeiner Form erfasst, der harte Kern der
möglichen Gewalttäter zählt aber kaum mehr als 400 Köpfe. Um eine
eindeutige Definition der zu erfassenden Menschen - also um
Transparenz - scheint man sich vor Einführung der Datei wenig
Gedanken gemacht zu haben.

Mit rechtsstaatlichem Denken und Handeln zumindest ist nicht zu
erklären, dass Menschen in der Antiterrordatei landen (können), nur
weil ein Nachbar, Arbeitskollege oder der Sportpartner möglicherweise
mit den falschen Leuten telefoniert oder bei einer umstrittenen
Demonstration teilgenommen hat. Die Konsequenzen für unbescholtene
Menschen, die plötzlich als "Kontaktperson" geführt werden, sind gar
nicht abzusehen. Auch und gerade wegen der Vielzahl der Behörden, die
bisher auf die gehorteten Daten zugreifen konnten.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich muss
der Staat ein Auge auf diejenigen haben, die Anschläge planen, Terror
gutheißen oder unterstützen. Das hat das Verfassungsgericht
klargestellt. Bloß kann er das künftig nicht so machen, wie er es
bisher getan hat - mit einer Datensammelei, die an Aktionismus
grenzt.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist gut beraten, die
monierten Punkte nicht als Detailfragen abzutun. Das Urteil hat mehr
politisches Gewicht, als er eingestehen möchte: Denn wieder einmal
mussten Verfassungsrichter aufzeigen, wo im Land die Grenzen zwischen
Freiheit und Sicherheit verlaufen.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@wz.de
www.wz-newsline.de


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