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BERLINER MORGENPOST: Zur Abwechslung mal freundlich? Leitartikel von Claus Christian Malzahn über die doppelte Staatsbürgerschaft

Geschrieben am 29-03-2013

Berlin (ots) - Die Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft in
der Bundesrepublik gehört zu jenen Wiedervorlagen deutscher Politik,
die vor allem in Wahlkampfzeiten gern aus der Schublade geholt
werden. Wie nur noch wenige Themen scheint dieses perfekt dazu
geeignet, parteipolitische Identitäten aufzupolieren und eigene
Anhängerschaften in Wallung zu bringen. Denn in Wahrheit geht es bei
der Debatte gar nicht um den doppelten Pass, geschweige denn um gute
Integrationspolitik. Es geht darum, wie die deutsche
Mehrheitsbevölkerung mit der türkischstämmigen Minderheit
zurechtkommt - und umgekehrt.

Doppelpässe sind in der Europäischen Union inzwischen gang und
gäbe. Man findet das Phänomen inzwischen sogar im Vatikan. Der neue
Papst hat inzwischen sogar drei Pässe; einen argentinischen, einen
italienischen und nun auch noch einen vatikanischen. Trotzdem käme am
Flughafen Buenos Aires kein Beamter auf die Idee, Franziskus die
Einreise mit dem Argument zu verweigern, er müsse sich erst für eine
einzige Staatsbürgerschaft entscheiden, weil im Vatikanstaat ja ein
rückständigeres Familienrecht herrsche als in Argentinien. Genau
diese Entscheidung sollen aber türkischstämmige Deutsche bis zu ihrem
23.Geburtstag fällen. Nicht wenige empfinden das als Zumutung:
Entweder du bist einer von denen - oder du bist einer von uns. Was
aber, wenn sie beides sind, beides sein wollen? Warum wäre das
eigentlich schlimm?

In den USA, neben Israel dem wohl erfolgreichsten
Einwanderungsland der Welt, empfinden Migranten die
Staatsbürgerschaft als großes Geschenk. Dass sie oft noch einen
zweiten Heimatpass in der Schublade haben, stört nur wenige - und
dass Italiener, Chinesen, Mexikaner oder Russen ihre kulturellen
Traditionen pflegen, ist eine Selbstverständlichkeit. Man empfindet
das im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sogar als Bereicherung -
was natürlich nicht bedeutet, dass das Zusammenleben so vieler
Menschen unterschiedlicher Herkunft konfliktfrei abläuft. Aber anders
als bei uns würde dort niemand auf die Idee kommen, zu behaupten, in
ethnisch begradigten Gesellschaften ginge es reibungsloser zu. Vor
denen haben sich die Vorfahren der meisten Amerikaner nämlich
irgendwann einmal in Sicherheit gebracht.

Eine liberalere Handhabung doppelter Staatsbürgerschaften würde
die real existierenden Probleme in der Einwanderungspolitik allein
nicht lösen. Nach dem Terror des NSU, den Schlampereien bei der
Aufklärung dieser Verbrechen und dem jüngsten Affront des Münchner
Gerichts vor allem gegen die türkische Presse wäre das aber eine
freundliche Geste. Damit kommt man manchmal weiter als mit
Rechthabereien. Offenbar hat man das nun auch endlich in der Union
erkannt. Armin Laschet dafür, Volker Bouffier dagegen - es war
höchste Zeit, dass auch in der CDU über das Thema gestritten wird.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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