(Registrieren)

DER STANDARD-Kommentar: "Türkisch-kurdischer Frühling" von Markus Bernath

Geschrieben am 21-03-2013

"Waffenruhe und Abzug: Der Dialog zwischen Staat und PKK
erweist sich als stabil"; Ausgabe vom 22.03.2013

Wien (ots) - Es ist das fünfte oder das achte Mal, dass sie es
sagen. Die Rechnungen über die PKK und Abdullah Öcalan sind
unterschiedlich, aber die Zahl ist ohne Belang: Dieses Mal hat der
Gründer der kurdischen Untergrundbewegung seine Brigaden nicht nur
zur Waffenruhe, sondern auch zum Abzug aus der Türkei aufgerufen -
und dies im Rahmen laufender Gespräche mit dem türkischen Staat. Es
geht um historischen Durchbruch oder um historisches Scheitern. Ein
Ende des bewaffneten Kampfs und die Beilegung der Kurden-Frage sind
nicht nur ein innertürkisches Problem. Es geht Europa an, wohin ein
Teil der kurdischen Bevölkerung und auch der Aktivisten der PKK in
den vergangenen drei Jahrzehnten geflüchtet sind. Es interessiert die
USA, die einen großen muslimischen, einen stabilen und im Inneren
befriedeten Bündnispartner in der Region haben möchten. Und es wird
die Türkei in der arabischen Welt glaubwürdiger machen, wo sie ihre
Demokratie und ihre Exportwirtschaft anpreist. Kaum jemand in der
Türkei hat erwartet, dass die Tür zu einer Verhandlungslösung mit der
kurdischen Arbeiterpartei mit einem Mal wieder aufgeht. Dass sie
nicht wieder zufiel, ist noch viel überraschender - trotz der
Sabotageakte und Störmanöver der vergangenen Wochen, den Morden an
den PKK-Frauen in Paris und der durchaus fragwürdigen Entscheidung
der liberalen Tageszeitung Milliyet, Teile eines der jüngsten
Gespräche zwischen Kurden-Politikern und Öcalan auf der
Gefängnisinsel Imrali zu veröffentlichen. Es beweist, dass alle
entscheidenden Seiten ein Interesse an den Verhandlungen haben: die
türkische Regierung und ihr alles bestimmender Chef Tayyip Erdogan,
der seit 14 Jahren inhaftierte Öcalan, die militärische Führung der
PKK in den Kandil-Bergen im Nordirak. Dies sei ein Prozess, der allen
Gewinn brächte, erklärte zuletzt selbst Murat Karyilan, der
Guerilla-Kommandeur. Es gibt eine Reihe von Gründen für diesen
türkisch-kurdischen Frühling, und manche lassen zweifeln, ob es den
Akteuren wirklich eine Herzenssache mit dem Frieden ist. Erdogan zum
Beispiel, von dem man annehmen kann, dass er seinen politischen Zenit
mit dem großen dritten Sieg bei den Parlamentswahlen im Sommer 2011
überschritten hat, sucht ein neues Projekt, um sich an der Macht zu
halten. Der Krieg in Syrien wiederum mit der möglichen, von Ankara
gefürchteten Bildung einer zweiten autonomen Kurden-Region neben dem
Nordirak hat die Denkanstrengungen zur Beilegung der Kurden-Frage
beflügelt. Abdullah Öcalan schließlich will wohl nicht nur als
Friedensmacher in die Geschichtsbücher eingehen, sondern schlicht
auch seine Zehn-Quadratmeter-Zelle gegen eine komfortablere Behausung
tauschen. Doch unterm Strich bleibt es dabei: Dieser Dialog zwischen
Staat und PKK hat sich mittlerweile als stabiler und seriöser
erwiesen als frühere Versuche der konservativ-islamischen Regierung.
Es wird ihre Leistung sein, die türkische Republik 90 Jahre nach der
Gründung normalisiert und demokratisiert zu haben, während die
Kemalisten heute immer noch intellektuelle Schwierigkeiten haben, die
Tatsache einer kurdischen 20-Prozent-Minderheit im Land zu
akzeptieren. Der türkische Staat jedoch hat keine Erfahrung mit
Verhandlungen. Das ist das Risiko. Und die Balance zwischen
PKK-Rückzug und politischer Autonomie im Südosten ist noch ungeklärt.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

454149

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Märkische Oderzeitung Frankfurt (Oder) zur PKK: Frankfurt/Oder (ots) - Es kommt nun auf den inneren Zustand der PKK an. Die Partei gilt als in unzählige Fraktionen zersplittert und profitiert derzeit vom wachsenden Einfluss der syrischen Kurden. Das wiederum könnte die Idee eines Kurdenstaates wieder in greifbare Nähe rücken und zu neuen Konflikten führen. Dem könnte Öcalan mit seiner Friedensbekundung den Wind aus den Segeln nehmen - wenn er noch die Macht hat, von der er ausgeht. +++ Pressekontakt: Märkische Oderzeitung CvD Telefon: 0335/5530 563 cvd@moz.de mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Märkische Oderzeitung Frankfurt (Oder) zur Bahn: Frankfurt/Oder (ots) - Technikprobleme, fehlende Züge, Servicedefizite, ewige Bauarbeiten - aber die Deutsche Bahn befördert trotzdem mehr Passagiere, fast zwei Milliarden sind es insgesamt. Gleichzeitig fährt sie ein Umsatzplus ein und steigert den Gewinn deutlich. Hat also die Bahn gar keine ernsthaften Probleme? Ist der Kundenärger übertrieben? Natürlich nicht. Nicht umsonst werden in Nah- und Fernverkehr dreistellige Millionenbeträge für Reparatur und Wartung gesteckt, um zumindest einen Teil der Versäumnisse der vergangenen mehr...

  • WAB: Die Windbranche bleibt nach dem Energiegipfel verunsichert / Pläne der Bundesregierung müssen nun vom Tisch Berlin (ots) - Die Windenergie-Agentur WAB zeigt sich enttäuscht über die heutigen Ergebnisse des Energiegipfels. Nach Ansicht der WAB bleibt es weiterhin bei der Verunsicherung der Investoren. Damit drohe insbesondere bei der Offshore-Windenergie weiterhin die Fortsetzung des Auftragslochs. Die Pläne von Altmaier müssten nun vom Tisch, fordert die WAB. "Bundesumweltminister Peter Altmaier hat mit seinen Plänen im Februar die Branche verunsichert und was wir für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen ist Planungssicherheit!", mehr...

  • neues deutschland: Öcalans Offensive Berlin (ots) - Es war nicht Öcalans erster Appell für einen friedlichen Interessenausgleich zwischen kurdischer und türkischer Bevölkerung in der Türkei, und es war auch nicht sein erstes Angebot, dass die PKK die Waffen niederlegt. Wie immer es ausgeht - es wurde medial beachtet wie nie zuvor. Seit Erdogan die Türkei regiert, gibt es immer wieder informelle Dialogkanäle zwischen beiden Seiten. Allmählich verblasst jene großtürkische Attitüde Ankaras, in deren Verständnis Öcalan nur als Monster vorkam und in der es die Identität eines mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Lehrerausbildung Stuttgart (ots) - Erstaunlich, welche Wellen ein Gutachten zur Lehrerbildung schlägt. Ginge es um Ingenieure oder Schornsteinfeger - es meldeten sich wohl nur Spezialisten zu Wort. Doch nun diskutieren Politiker, Unternehmer, Gewerkschafter mit. Aus welchem Grund? Bei aller Wertschätzung für Schornsteinfeger: Lehrer gehören zur Existenzsicherung des Landes. Wenn sie versagen, bekommt das Fundament des Bildungsgebäude Risse. Insofern erstaunt die heftige Reaktion überhaupt nicht. Pressekontakt: Stuttgarter Nachrichten Chef mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht