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DER STANDARD-Kommentar: "Der Triumph der Anti-Politik" von Christoph Prantner

Geschrieben am 25-02-2013

Die Krise zeitigt ein neues Zeitalter der Extreme und Italien
ist wieder Vorreiter

Wien (ots) - Noch bevor die erste Hochrechnung am Montagnachmittag
auf Sendung ging, sprach eine aufgekratzte Reporterin von der Dritten
Republik, die man sich nun im Hauptsitz des Partito Democratico in
Rom erwarte. Ein Neustart, diesem müsse sich Italien nun unter der
Führung einer Mitte-links-Koalition stellen. Ein Neustart? Nach
allem, was während eines hektischen Wahlabends abzusehen war, sieht
eine Stunde Null durchaus anders aus. Im Gegenteil: Bei dieser Wahl
kam die zweite italienische Republik ganz zu sich. Bei dieser Wahl
triumphierten weder Mitte-links noch Mitte-rechts, sondern das was
man in Italien gemeinhin antipolitica, Anti-Politik, nennt.
Dominiert haben die italienische Wahlauseinandersetzung zwei ihrer
schillerndsten Exponenten: die zwei Komödianten Beppe Grillo und
Silvio Berlusconi. Diese beiden Großmeister des Populismus und der
Demagogie haben die Stimmen der Vernunft in Italien beinahe zum
Schweigen gebracht. Grillo hat seine Anti-Alles-Bewegung aus dem
Stand zu einer der stärksten politischen Kräfte des Landes gemacht,
Berlusconi eine unglaubliche Aufholjagd beinahe ins Ziel gebracht.
Noch um Weihnachten war seine Partei politisch de facto klinisch tot,
in wenigen Wochen hat mit Hilfe seiner Hausmedien sein Evangelium
unter seinen Jüngern wieder populär gemacht.
Beiden Herren gemeinsam ist ein absoluter Mangel an Sinn für
Gemeinwesen und Staatsverantwortung. Sie regieren auf der Piazza,
nicht im Parlament. Sie zeigen, wie sehr herkömmliche politische
Parteien bereits ihre Funktion als Katalysatoren von Interessen
verloren haben. Erst Recht in Italien, wo die Parteien seit geraumer
Zeit nur noch mit sich selber und nicht mit den Menschen beschäftigt
sind. Ist Grillo ein Newcomer in diesem Spiel, hat Berlusconi es
erfolgreich vergessen lassen, dass er schon 20 Jahre Teil des Systems
ist, dessen die Italiener überdrüssig sind.
Das Wahlergebnis hat unmittelbar unabsehbare Konsequenzen: Die
kleinen Sanierungserfolge Mario Montis stehen auf dem Spiel. Das Land
ist einmal mehr de facto unregierbar, mit allen Folgen für die
Italiener selbst und auch für die Europäische Union. Die Eurokrise
muss nun wohl wieder aus der Ablage zurückgeholt werden.
Die mittelbaren Konsequenzen unterdessen mögen noch schwerer wiegen.
In allen europäischen Wahlgängen haben die Ränder, die Radikalen
zuletzt an Zustimmung gewonnen. In Italien hat die Wirtschafts- und
Politikkrise einen jüngsten Höhepunkt im neuen Zeitalter der Extreme
entstehen lassen. Vor knapp 100 Jahren ist der Faschismus dort groß
geworden. Heute haben gnadenlose Demagogen, die mit der Demokratie
nichts wollen als ihren eigenen ideologischen Eifer ungezügelt
durchzusetzen, im italienischen Parlament wieder eine große Mehrheit.
Die vereinigten Antipolitiker werden dort dafür sorgen, dass es auch
in Hinkunft kein Wahlrecht geben wird, dass von den Abgeordneten
selbst nicht mehr als "Sauerei" bezeichnet werden kann. Sie werden
dafür sorgen, dass sich die Bürger noch weiter von der Politik
entfremden. Neuwahlen, so mutmaßten die Auguren in Rom schon am
Montagnachmittag, seien unvermeidbar. Der Protest perpetuiert sich,
die Chancen der Italiener auf einigermaßen normale Verhältnisse
minimieren sich.
Nie hat ein solcher Ausblick in Italien mehr Sorgen gemacht.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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