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DER STANDARD-KOMMENTAR "Sozialstaat zum Dumpingpreis" von Anita Zielina

Geschrieben am 09-01-2013

Nicht Zivildienst für Frauen sollte Thema sein, sondern die
faire Bezahlung - Ausgabe vom 10.1.2013

Wien (ots) - Zehn Tage vor der Volksbefragung über die Zukunft des
Bundesheeres gewinnt die Debatte an Aggressivität, vor allem aber
Skurrilität. Ihren Teil dazu beigetragen hat Innenministerin Johanna
Mikl-Leitner, die sich - sollte die Wehrpflicht bestehen bleiben -
einen freiwilligen Zivildienst für Frauen vorstellen kann. Die SPÖ
gibt sich erbost und ortet die Bereitschaft des Koalitionspartners,
über kurz oder lang auch eine Wehrpflicht für Frauen einzuführen. Die
Wehrpflichtdebatte droht zu einer Genderdebatte zu werden, auch
Gleichberechtigung wird ins Spiel gebracht. Dagegen würde im Prinzip
nichts sprechen - wenn es nicht völlig am Kern der Frage vorbeiginge.

Tatsächlich schummelt sich die ÖVP nämlich am Bekenntnis vorbei,
wie ihr Konzept für die Zukunft des Zivildienstes aussieht. Details
zu ihrem neuesten Vorstoß, erklärt Mikl-Leitner, wolle sie nämlich
erst nach erfolgter Abstimmung bekanntgeben. Dabei ist die
Fragestellung recht simpel: Will man endlich die gesellschaftlich
hoch relevanten, physisch und psychisch anstrengenden Jobs, die
Zivildiener für einen Hungerlohn zwangsweise verrichten, auch monetär
anerkennen? Oder will man die bestehende Ungerechtigkeit schlicht auf
andere Bevölkerungsgruppen, in dem Fall Frauen, ausdehnen? Denkbar
sind eigentlich nur drei Varianten. Die erste: Die Bezahlung der
freiwilligen Zivildienerinnen ist gleich wie die der männlichen
Zwangs-Zivildiener - also lächerlich niedrig. Nur: Welche Frau sollte
sich dann freiwillig einen solchen unterdurchschnittlich bezahlten
Job auf Zeit antun? Zweite Variante: Die Gehälter männlicher wie
weiblicher Zivildiener werden auf ein Niveau angehoben, das der
gesellschaftlichen Relevanz der von ihnen geleisteten Arbeit
entspricht und einen echten Lohn statt eines Taschengeldes darstellt.
Dass Mikl-Leitner diese Budgetexplosion im Auge hatte, darf
bezweifelt werden. Außerdem wird sich, wenn der Zivildienst auch noch
besser bezahlt wird als der Grundwehrdienst, wohl nur mehr eine
verschwindend kleine Gruppe für den Dienst an der Waffe entscheiden.
Die dritte Möglichkeit: Es gibt ein Mann-Frau-Gehaltsgefälle im
Zivildienst, die freiwillig einrückenden Frauen verdienen also mehr
als die unfreiwilligen Männer. Eine Idee, die schon aus
verfassungsrechtlichen Gründen absurd ist. Es darf davon ausgegangen
werden, dass beiden Koalitionsparteien das Grunddilemma bewusst ist:
Mit einem juristischen und politischen Kniff rekrutiert die Republik
billige Arbeitskräfte im Sozial- und Gesundheitsbereich. Das muss
sich ändern. Es ist für einen modernen Sozialstaat inakzeptabel, dass
gute Teile des Systems, das ebenjenen am Leben erhält und ausmacht,
von Zivildienern zu Dumpinglöhnen erhalten werden. Die Menschen, die
unsere Alten, Kranken und Schwachen versorgen und pflegen, müssen die
gesellschaftliche Anerkennung ihrer Tätigkeit auch in der Geldbörse
spüren. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich bewusst und freiwillig
für ein fair entlohntes Sozialjahr zu entscheiden. Sie haben es nicht
verdient, zum Stopfen eines Budgetlochs benutzt zu werden, das durch
die Mangelfinanzierung des Sozial- und Pflegebereichs bedingt ist.
Die Debatte, die wir führen müssen, ist eine Sozialdebatte, keine
Genderdebatte. Dass die Politik sich davor drückt, ist eine Schande.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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