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DER STANDARD - Kommentar "Schlechter denn je" von Eric Frey

Geschrieben am 23-09-2012

Fehlende Parteiendemokratie trägt zur Schwäche der heutigen
Regierungsspitze bei - Ausgabe vom 24.9.2012

Wien (ots) - Der Ladung vor den Untersuchungsausschuss konnte
Kanzler Werner Faymann noch entgehen; der Demontage seines
öffentlichen Ansehens durch die offenen Fragen in der Inseratenaffäre
und die skandalöse Abwürgung des U-Ausschusses auf SPÖ-Betreiben_aber
nicht.
Beide Regierungsparteien werden nunmehr von Politikern geführt, die
angeschlagen sind und deren Qualifikation in Zweifel gezogen wird.
Denn seit dem missglückten Wechsel in das Finanzressort gilt auch
Vizekanzler Michael Spindelegger als ÖVP-Chef auf Abruf _- persönlich
zwar integer, aber seiner Aufgabe nicht gewachsen.
Man muss es offen aussprechen: Seit Gründung der Zweiten Republik war
die Regierung noch nie in so schwachen Händen. Man muss auf SPÖ-Seite
gar nicht Bruno Kreisky oder Franz Vranitzky beschwören. Selbst Fred
Sinowatz, Viktor Klima und Alfred Gusenbauer hatten bei allen Fehlern
mehr intellektuelles Format und politische Glaubwürdigkeit als der
heutige Kanzler. Und auch in der ÖVP gab es trotz ständiger
Obmannprobleme noch keinen Parteichef, der sich offen von einem
machtbewussten Landeshauptmann gängeln lässt und im TV bekennt, dass
er diesem nie widerspricht.
Dass die beiden Koalitionsparteien trotz Führungskrise in den
Umfragen nicht völlig abstürzen, liegt daran, dass auch die
Oppositionschefs zweitklassig sind. Bei all ihrer Bemühtheit fehlt
Ewa Glawischnig die intellektuelle Brillanz und Gelassenheit, die
Alexander Van der Bellen für breite Schichten so attraktiv machte.
Und Heinz-Christian Strache bleibt eine ärmliche Kopie Jörg Haiders,
der zwar stets für Empörung sorgte, aber selbst seine härtesten
Gegner faszinierte.
Es ist diese politische Landschaft, die Frank Stronach trotz
skurriler Auftritte und noch skurrilerer Vorstellungen zu so viel
Aufmerksamkeit und Zuspruch verhilft.
Die magere Qualität der heutigen Politikerkaste, die sich - siehe die
Parlamentsdebatten - auch in der zweiten und dritten Ebene
niederschlägt, ist kein Zufall. Das schlechte Image und die
schwierigen Arbeitsbedingungen in der Politik schrecken sicher viele
potenzielle Quereinsteiger ab. Schuld aber trägt vor allem die Art,
wie die Parteien Karrieren gestalten und Führungskräfte auswählen.
Dort zählen weder besondere Kompetenz noch Popularität, sondern
Sitzfleisch sowie die Fähigkeit, sich im Apparat durchzusetzen und
Intrigen zu überstehen. In diesen Kategorien waren Faymann und
Spindelegger wahre Meister.
Ganz ohne solche Qualitäten kommt man nirgendwo an die Spitze. Aber
in anderen europäischen Ländern hat ein Prozess eingesetzt, der
Politiker nach Leistung und Erfolgsaussichten auswählt und dabei auch
die Basis einbindet: innerparteiliche Vorwahlen. Erfunden in den
USA,_sind sie in Großbritannien und Frankreich schon üblich und
halten dank der Grünen nun auch in Deutschland Einzug.
Österreichs Parteien ist eine solche gelebte Demokratie fremd;
Obmannwechsel werden stets in Hinterzimmern ausgepackelt und an
Parteitagen in KP-Manier abgesegnet. Für Gegenkandidaten und Debatten
gibt es keinen Platz.
Jahrzehntelang hat dieses System funktioniert, aber heute fördert es
nur noch die Politikverdrossenheit. Vorwahlen mit mehreren Kandidaten
würden mehr zur Demokratisierung des Landes beitragen als die derzeit
so geliebten Referenden. Und möglicherweise würden sie das Land vor
der nächsten Generation von Faymanns und Spindeleggers schützen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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