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Mittelbayerische Zeitung: Gefährlicher Insel-Streit

Geschrieben am 20-09-2012

Regensburg (ots) - Von Louisa Knobloch

Geschlossene Fabriken, zerstörte Autos und Geschäfte: China erlebt
gerade die schwersten anti-japanischen Proteste seit Jahrzehnten.
Sogar der Ruf nach Krieg mit dem Inselstaat wird laut. Dass der
Streit um den Ankauf dreier unbewohnter Inseln durch die japanische
Regierung in China so hohe Wellen schlägt, mag hierzulande für
Unverständnis sorgen. Die Situation ist jedoch viel komplizierter als
sie zunächst scheint - und könnte sehr gefährlich werden. Strittig
ist, wem die in Japan Senkaku und in China Diaoyu genannten Inseln
überhaupt gehören. Japan will die Inselgruppe 1884 entdeckt haben -
1895 wurden sie während des Ersten Japanisch-Chinesischen Krieges zum
japanischen Hoheitsgebiet erklärt. China behauptet seinerseits, die
Inseln hätten schon in der Ming-Dynastie zum damaligen Kaiserreich
gehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Inseln unter
amerikanische Militärverwaltung gestellt und schließlich 1972 von den
USA an Japan gegeben. Sowohl China als auch Taiwan machten ebenfalls
Ansprüche geltend. Die Inseln hatten an Bedeutung gewonnen, weil Ende
der 60er Jahre dort große Erdöl- und Erdgasvorkommen entdeckt worden
waren. Zudem gelten die Gewässer rund um die fünf Inseln und drei
Felsenriffe als fischreich. Sowohl China mit seiner wachsenden
Wirtschaft als auch das rohstoffarme Japan haben an Öl und Gas großes
Interesse - aktuell mehr denn je. Nach der Katastrophe von Fukushima
schaltete Japan seine Atomkraftwerke ab und musste daher mehr Erdgas
und Rohöl importieren. Dadurch wies die Handelsbilanz des Landes 2011
erstmals seit 30 Jahren ein Defizit aus. Die japanische Regierung hat
die Inseln aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen gekauft: Im
April hatte nämlich zuerst der Gouverneur von Tokio, Shintaro
Ishihara, angekündigt, dass die Präfektur Tokio drei der Inseln von
einem japanischen Geschäftsmann erwerben wolle, um sie vor der
Übernahme durch China oder Taiwan zu schützen. Ishihara ist ein
rechtsnationaler Hardliner, der China schon häufig durch seine
extremen Äußerungen provoziert hatte. So leugnete er in einem
Interview das Massaker von Nanking, bei dem japanische Soldaten 1937
über 200 000 Chinesen töteten. Japans Regierung befürchtete, dass ein
von Ishihara geführter Kauf der Inseln die Beziehungen zu China
schwer belasten könnte - das kleinere Übel schien es, ihm
zuvorzukommen und sie selbst zu kaufen. Die anti-japanischen Proteste
in China hat das nicht verhindert. Der Bürgerrechtler Ai Weiwei warf
der Staats- und Parteiführung des Landes vor, die Demonstrationen zu
unterstützen. In der Tat ist es auffällig, dass man die Aufrührer
gewähren ließ - unerwünschter Protest wird in China sonst sehr
schnell unterdrückt. Trauriges Beispiel ist das Massaker auf dem
Platz des himmlischen Friedens 1989. Denkbar ist, dass die
Kommunistische Partei von Problemen im Inneren ablenken will. Mitte
Oktober steht ein Machtwechsel bevor, Vizepräsident Xi Jinping soll
Hu Jintao als Staats- und Parteichef ablösen. Da passt es gar nicht,
dass Chinas Politik zuletzt von mehreren Skandalen erschüttert wurde.
So wurde die Juristin Gu Kailai im August wegen Mordes an einem
britischen Geschäftsmann verurteilt - die Affäre beendete die
Karriere ihres Mannes Bo Xilai, der als aussichtsreicher Kandidat für
einen Führungsposten im Politbüro gegolten hatte. Auch ihm droht nun
ein Prozess. Von einem Handelskrieg - etwa durch den Boykott
japanischer Waren - ist in China schon die Rede. Auch ein
militärischer Konflikt ist nicht auszuschließen. Schiffe aus beiden
Ländern patrouillieren in den Gewässern, aus China ist eine Flotte
Fischerboote unterwegs. Bereits 2010 war es vor den Inseln zu einem
Zwischenfall gekommen, als ein chinesisches Fischerboot zwei Schiffe
der japanischen Küstenwache gerammt hatte. Sollte nun etwas ähnliches
passieren, könnten die Auswirkungen sehr viel schwerwiegender sein -
es sei denn, die beiden Regierungen gehen aufeinander zu. 2008 gab es
bereits Gespräche über die gemeinsame Entwicklung von Gasvorkommen im
Ostchinesischen Meer - sollte diesmal ein Abkommen gelingen, könnte
das Entspannung in den Insel-Streit bringen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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