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"DER STANDARD"-Kommentar: "Der Elefant im Zimmer" von Gudrun Harrer

Geschrieben am 20-09-2012

Die Politik der "nuklearen Ambiguität" wird zunehmend zur
Belastung für Israel (ET 21.09.2012)

Wien (ots) - Die zwei Jahre sind im Flug vergangen. Im Mai 2010,
bei der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag
(Non-Proliferation Treaty Review Conference), hatte sich US-Präsident
Barack Obama ein Schlussdokument erkauft - ohne ein solches gilt eine
NPT-Konferenz als gescheitert -, indem er Ägyptens Wunsch, Israel
hineinzureklamieren, nachgab: Israel wurde aufgefordert, dem
Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Das passierte zwar bei der Review
Conference 1995, während Bill Clintons Amtszeit, auch schon, aber
2010 wurde darüber hinaus entschieden, dass für 2012 eine Konferenz
anzupeilen sei über eine "Nuklearwaffen- und andere
massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen Osten".

"Nötigung" nannte der israelische Atomkomitee-Chef Shaul Horev in
seiner Rede vor der derzeit laufenden Generalkonferenz der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Versuche, die Pläne für
die Konferenz, die Ende 2012 oder Anfang 2013 in Helsinki stattfinden
soll, voranzutreiben. Auch Obama hatte sich ja bereits unmittelbar
nach der NPT-Konferenz 2010 davon wieder distanziert. Aber die
Initiative lässt sich nicht so leicht wieder einfangen.

Wobei der Elefant im Raum zwar nicht so genannt, aber dennoch
beschrieben wird: Horev sprach davon, dass "nukleare Abrüstung im
Nahen Osten" erst möglich sein wird, wenn die Staaten in der Region
zu Frieden und Vertrauen gefunden hätten. Trotz Israels "nuklearer
Ambiguität" - der Nichtdeklaration der israelischen Atomwaffen, die
als gemeinsame israelisch-amerikanische Politik Ende der 1960er-Jahre
entstanden ist - macht sich auch der eigene Vertreter nicht viel Mühe
zu verbergen, dass Israel ein Atomwaffenstaat ist, der einzige im
Nahen Osten.

Nun ist der Aufstieg des Iran zu einer nuklearen Kapazität - aus
der Atomwaffen werden können - nach israelischem politischem
Verständnis nicht nur eine strategische Herausforderung, sondern eine
existenzielle Bedrohung. Zur Frage, ob sie Letzteres wirklich ist,
sind auch die Reihen der israelischen Experten nicht so geschlossen,
wie es die israelische Politik nach außen vermitteln will. Aber wie
immer man die Sache sieht, eines ist klar: Einen weniger Erfolg
versprechenden Zeitpunkt, Israel aufzufordern, über seine nukleare
Entwaffnung nachzudenken, gibt es fast nicht. Es ist nicht nur der
Iran, der Israel beunruhigt: Mit dem Arabischen Frühling ist die
nahöstliche Welt vielleicht freier, bestimmt aber nicht sicherer
geworden.

Dennoch sollte man Israels Formulierung der Absage an eine
nuklearwaffenfreie Zone so interpretieren, dass im "Friedensfall" die
eigenen Atomwaffen sehr wohl zur Disposition stehen. Nicht nur, aber
auch daran ist das internationale Engagement geknüpft, das verhindern
soll, dass andere Länder in der Region sich bewaffnen.

In der Zwischenzeit bleibt der Elefant gut sichtbar im Raum
stehen. Die Entstehung des israelischen Atomwaffenprogramms zu
diskutieren ist angesichts der jüdischen Geschichte müßig: Wer es
nicht verstehen will, soll es bleibenlassen. Aber die "Amimut" - die
nukleare Ambiguität - wird zunehmend zur Belastung. Sie hindert
Israel im Grunde daran, an der Atomwaffendebatte glaubwürdig
teilzunehmen. Und ob eine moderne Demokratie im 21. Jahrhundert die
Geheimhaltung eines Atomprogramms vor den eigenen Bürgern
verantworten kann, sollten sich diese auch fragen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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