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DER STANDARD-Kommentar "Die Eurozone, eine Hängepartie" von Thomas Mayer

Geschrieben am 10-07-2012

Symbolfigur Juncker: Zankende, kraftlose Mitgliedsländer
schaffen kein Vertrauen // Ausgabe vom 11.7.2012

Wien (ots) - Jean Claude Juncker müsste eigentlich zufrieden sein:
Das kleine Land, das er als Premierminister regiert, hat an sanfter
Macht schon wieder zugelegt. Die Eurofinanzminister schlugen seinen
Jugendfreund und Notenbanker Yves Mersch als neues Mitglied der
Zentralbankspitze vor, wählten ihn selber als Chef der Eurogruppe
aber trotzdem wieder.
Das schlaue Luxemburg ist in seiner Sonderstellung bestätigt: Als
Gastland für den Europäischen Gerichtshof, den Rechnungshof und das
Statistikamt der EU, als Zweitsitz des EU-Ministerrates und
Verwaltungssitz für das Europaparlament nutzt es Europa bei der
Schöpfung von Einfluss und Geld wie kein Land sonst. Nach dem
provisorischen Rettungsschirm EFSF kommt bald auch noch der ständige
Eurofonds ESM dazu - mit 800 Milliarden Euro "Umsatz", wenn man so
will.
Dazu muss man Juncker, eine politische Ausnahmeerscheinung, die seit
1982 (!) bei der europäischen Integration an der Spitze mitmischt,
neidlos gratulieren. Aber der 58-Jährige ist gar nicht froh. Er fühlt
sich müde, ausgebrannt und krank, möchte als Koordinator der
Eurogruppe endlich aufhören nach all der Rackerei.
Aber er darf nicht. Er kann nicht, weil die siebzehn Staaten der
Währungsunion auch im fünften Jahr der größten Wirtschafts- und
Währungskrise der Geschichte bei Führungs- und Sachfragen
untereinander total uneinig bis zerstritten sind - im Großen wie auch
im Detail. So eben auch bei der Frage, wer als Nachfolger des
Luxemburgers überhaupt infrage käme. Deshalb muss er als "lame duck",
als lahme Ente, wie Amerikaner sagen, geschwächt weitermachen.
Jede Ersatzvariante wird von irgendjemandem aus irgendeinem
egoistischen nationalen Interesse heraus blockiert: Deutschland, das
die größte politische und finanzielle Last bei der Eurorettung trägt,
will die Zügel mit Wolfgang Schäuble selber in die Hand nehmen.
Frankreich fürchtet, dadurch seine Balance zu Berlin zu verlieren.
Kandidaten aus kleinen Staaten werden als nicht vollwertig
diskreditiert.
Die Südländer gönnen den Chefposten keinem aus dem "nordischen
Hartwährungsblock" (mit Österreich). Die kleinen und mittleren
Staaten lehnen sich gegen deutsch-französische Dominanz auf, sind
aber zu feig und/oder zu schwach, eigene Lösungen durchzukämpfen. So
wird der müde Juncker unfreiwillig zum Symbol, woran es in den
Regierungen der Länder Eurounion in Wahrheit am meisten mangelt: am
wechselseitigen Vertrauen.
Wenn eine angeblich so mächtige und starke Währungsunion aber nicht
einmal in der Lage ist, eine einfache Personalfrage zu lösen, wie
sollen ihre Mitglieder dann bei all den komplexen und sündteuren
Sachentscheidungen Einigung erzielen, die nötig wären, um der Krise
Herr zu werden? Und wie wollen sie auf diese Tour das Vertrauen der
politischen Partner in der Welt und auf den Märkten wiedergewinnen?
Stattdessen wird eine politische "Baustelle" nach der anderen
aufgemacht - Stichwort Bankenunion -, noch bevor in Arbeit
befindliche Europrojekte abgeschlossen werden, wie die Verbesserung
der gemeinschaftlichen Kontrolle beim Budgetvollzug der Länder. Da
harren EU-Richtlinien seit zwei Jahren der Erledigung.
Die Eurozone präsentiert sich als zankende, antriebsschwache
Gemeinschaft, mit Anführern, denen Souveränität bei Entscheidungen
fehlt. Solange das so bleibt, kann man noch so viele Milliarden an
Eurohilfen nachschießen - es wird nicht viel helfen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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